Blue Eye Samurai ist die beste Netflix-Serie des Jahres [UPDATE]

In unserer Kritik erzählen wir euch, warum Blue-Eye Samurai die Netflix-Serie des Jahres ist.

Update vom 12. Dezember 2023: Blue-Eye Samurai wird fortgesetzt! Nachdem die Serie flächendeckendes Lob von Kritikern und Zuschauern erhielt, gab Netflix das grüne Licht für eine zweite Staffel. “Mizu hat noch viel Blut zu vergießen! “, heißt es von den Co-Creatoren Amber Noizumi und Michael Greenin einer kurzen Stellungnahme. Sie führen weiter aus:

“Als wir mit diesem Projekt begannen, haben wir uns vorgenommen, diese sehr persönliche Geschichte, die im Japan der Edo-Periode spielt, so authentisch und schön wie möglich zum Leben zu erwecken. Unsere Animatoren, Historiker, Musiker, Kampfkünstler und Synchronsprecher haben dies über unsere Erwartungen hinaus verwirklicht. Wir sind unserem gesamten Team und unseren Zuschauern aus der ganzen Welt dankbar, die eine solche Leidenschaft für Mizu und ihren Weg der Rache gezeigt haben. […] Wir sind unseren unglaublichen Partnern bei Netflix zutiefst dankbar, dass sie uns die Reise fortsetzen lassen.”

In den kommenden Wochen sollen weitere Details zur Fortsetzung folgen. Ein Veröffentlichungstermin ist derzeit noch nicht bekannt, dürfte aber wohl nicht vor 2025 erwartet werden.

Ursprüngliche Nachricht vom 12. November 2023: 2023 war (und ist) ein Knallerjahr für die Medienbranche. Von zahlreiche hochkarätigen “Triple A”-Spielen, die pandemiebedingt allesamt in dieses Jahr verfrachtet wurden, bis hin zu Sommerblockbustern, die die Grenzen zwischen Internet und Realität sprengten.  Von Fortsetzungen wie Spider-Man 2 und Alan Wake 2, die im Laufwerk eurer PS5 um die Vorherrschaft kämpfen (jedenfalls so lange, wie die PS5 noch eines hat.) Bis hin zu Kinogängern, die mit schwarzem Fedora und pinkem Oberteil Filme zum Event machen.

Bei all den großartigen Filmen und Spielen kann es schon mal passieren, dass der dritte Stützpfeiler der modernen Unterhaltungswelt in den Hintergrund rückt. Und das sollte er 2023 auf gar keinen Fall. Denn tolle Serien gab es 2023 auch zu Häufe. Große Videospieladaption wie The Last of Us, die endlich gezeigt haben, dass der Videospielfluch den frühen 2000er-Jahren angehört. Oder fulminante Abschlüsse, wie das Doppelende von Barry und Succession, die das krönende Ende der Peak-TV-Ära markieren.

Doch bei all den bombastischen Serienhighlights kann schon mal die ein oder andere Show unter dem Radar verschwinden. Und das ist schade, denn Netflix hat kürzlich ganz heimlich und leise eine der besten Serien veröffentlicht, die der Streamer seit langer Zeit produziert hat. So blutig, wie bildhübsch. So erzählerisch mitreißend, wie emotional aufwühlend. Angelehnt an Kurosawa, mit einer gehörigen Portion Tarantino, liefert Netflix mit Blue-Eye Samurai den Überraschungshit des Jahres. Wir erzählen euch warum:

Die nach Rache strebende Mizu (Maya Erskine) mit Blick ins Verderben. Blue Eye Samurai. Cr. COURTESY OF NETFLIX © 2023

Die nach Rache strebende Mizu (Maya Erskine) mit Blick ins Verderben. Blue Eye Samurai. Cr. COURTESY OF NETFLIX © 2023

Blue-Eye Samurai ist Kill Bill meets Logan

Blue-Eye Samurai ist eine Animationsserie von den Drehbuchautoren Michael Green (Blade Runner 2049, Logan) und dessen Partnerin Amber Noizumi. Das Powercouple steuerte in gleichen Maßen vergangene Erfahrungen und kulturelle Identität bei und erzählt die Geschichte einer rachebestrebten Kriegerin im Japan des 17. Jahrhunderts. Nach Vorstößen des britischen Imperiums isolierte Japan sich selbst, um den Einflüssen der Weltmacht zu widerstehen und verschließt sich vor dem Westen. Im Zuge dessen wuchsen ganze Generationen auf, ohne jemals einen weißen Mann gesehen zu haben. In der Vorstellung der Bevölkerung werden sie zu Dämonen, Ausgestoßenen und Aussätzigen, die den Untergang des Inselreichs herbeisehnen.

Doch während alles Westliche unter Drohung der Todesstrafe verboten wurde, siedelten sich vier weiße Männer heimlich in hohen Rängen des Shogunats an, wo sie raffgierigen Despoten ränkeschmiedend Gift in die Ohren träufeln. Sie ziehen von Dorf zu Dorf und hinterlassen uneheliche Kinder, die mit Verachtung aufwachsen. Eine von ihnen ist Mizu, die von ihrem Vater nichts als dessen blaue Augen hinterlassen bekommen hat. Augen, die sie sofort als Fremde, Unerwünschte ausweisen – ist die Farbe doch untypisch für die Insel.

Sie wird misshandelt und verachtet, bis einer der Männer eines Tages ihr Zuhause zerstört und ihre Mutter vermeidlich tötet. Am Rande des Todes findet sie einen blinden Schwertmeister, bei dem sie auf Hilfe hofft und der sie nach Widerwillen in der Schmiedekunst unterweist. Als Frau in einer von Männern dominierten Welt, weiß sie, dass es nur einen Weg gibt, wie sie an ihre ersehnte Rache gelangen kann. Sie muss sein, was sie zu bekämpfen geschworen hat. Als Mann zieht sie durch das Land, immer auf der Suche nach den vier Männern, denen sie ihr Schicksal zu verdanken hat. Koste es, was es wolle.

Byron Mann als Mikio and Maya Erskine als Mizu in Blue Eye Samurai. Cr. COURTESY OF NETFLIX © 2023

Byron Mann als Mikio and Maya Erskine als Mizu in Blue Eye Samurai. Cr. COURTESY OF NETFLIX © 2023

Grauschattierungen in bildhübschen Farben

Blue-Eye Samurai erzählt eine Geschichte von Aufopferung, von Zielstrebigkeit. Von den Kosten, die es braucht, um seinen niedersten Bestrebungen nachzugeben. Mizu (Maya Erskine) ist eine geplagte Figur, die kaum je etwas zum Lachen hatte. Sie ist eine einsame Kriegerin und brutale Kämpferin, die genauso viel einstecken, wie austeilen kann. Logan-Drehbuchautor Green hat im Wolverine-Abschluss bereits ähnliche Fähigkeiten für gefährliche Antihelden bewiesen, denen diesmal jedoch nicht die Grenzen des Realismus gesetzt sind.

Als Animationsserie traut sich die Serie nämlich mehr als selbst ein teuer Produzierter Blockbuster zeigen kann. Blue-Eye Samurai ist eine erwachsene Geschichte voller Brutalität, abgetrennter Gliedmaßen und viel nackter Haut. Die Serie nimmt sich dabeiSerien wie Game of Thrones und Filme wie Kill Bill zum Vorbild (stellenweise verwendet sie sogar die selben Neeldedrops) und verfrachtet sie ins bildhübsch gezeichnete Japan des 17. Jahrhunderts. Sie schreckt nicht davor zurück zu zeigen, wozu ein sturer Wille führen kann und erzählt eine vielschichtige Geschichte, die auch genug Platz für charmante Nebencharaktere hat. Darunter der liebenswürdige Nudel-Koch Ringo (Masi Oka), der trotz Geburtsfehler nach wahrer Größe strebt. Prinzessin Akemi (Brenda Song), die sich von der Unterdrückung ihres Vaters lossagen will und der Samurai Taigen (Darren Barnet), der nach einem knapp überlebten Duell mit Mizu, seine Ehre zurückerhalten möchte.

Blue Eye Samurai schafft dabei den Spagat zwischen rasanten Actionsequenzen und ruhigen Momenten, die entschleunigt die Hintergründe der einzelnen Charaktere beleuchten. An vielen Stellen fühlt man sich an Ghost of Tsushima zurückerinnert, das gleichermaßen in farbenfroher Optik ein unnachgiebige Moralgeschichte von Grauschattierungen erzählt. Anders als das hochgelobte PS5-Spiel, kann sich Blue-Eye Samurai aber nicht über den selben Erfolg freuen. (Auch wenn die Serie derzeit auch von Kritikern Bestnoten erhält).

Fortsetzung der Serie ungewiss

Denn in einem so überfüllten Streaming-Markt, ist die Netflix-Serie gekommen und gegangen und nur die wenigsten haben überhaupt gemerkt, dass sie jemals da war. Nicht die besten Voraussetzungen, um die geplanten vier Staffeln der Serie auch umzusetzen. Denn die Serie befindet sich in einem bedenklichen Vakuum, in dem sie zwar von Kritikern in den Himmel gelobt wird (Metacritics 86%, Rotten Tomates 100%/95%), aber aufgrund niedriger Zuschauerzahlen dennoch als Misserfolg für Netflix gilt.

Wenn ich euch die Serie also schmackhaft machen konnte – oder ihr einfach nur die Zeit bis zum “Ghost of Tsushima”-Film totschlagen wollt – dann gebt der Serie eine Chance. Euch würde sonst eine der besten Serien des Jahres entgehen.