Mit Saints Row wagt die Reihe einen Schritt zurück zum Ursprung der Serie. Ob das geklappt hat, erfahrt ihr bei uns im Test:
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Als das erste Saints Row 2006 auf den Markt kam, hatte es das Spiel nicht leicht. Nachdem Rockstar Games mit GTA 3 das Open-World-Genre neu definierte und mit San Andreas noch einmal einen drauf setzte, mussten sich ähnliche Spiele mit den Genrekönigen messen. Ein Wettkampf, den die Saints verloren haben. Auch zwei Jahre später, mit Saints Row 2, musste sich die Reihe immer noch das Vorurteil gefallen lassen, nur ein GTA-Klon zu sein. Der sich zwar trotz eindrucksvoller Charakterschöpfungen wie Johnny Gat, kaum etwas neues traute.
Dies änderte sich 2011 mit dem Release von Saints Row: The Third. Nachdem Grand Theft Auto IV in den Augen vieler Spieler zu realistisch und ernst war, konnte die Reihe endlich mit viel Leichtigkeit Fuß fassen. Mit over-the-top Actionsequenzen, witzigen Zwischensequenzen und abgedrehten Leveln, hob die Reihe endlich ab. Sie war weniger ein Abklatsch von GTA, sondern viel eher eine Parodie des Genres. Ein Gewehr, das Haie verschießt. Ein meterlanger violetter Dildo als Schlagwaffe? Saints Row war offiziell anders.
Wie anders das war, zeigte die Reihe spätestens mit dem vierten Teil und dem Spin-off Gat out of Hell, welche jeweils Superkräfte, Aliens und die Hölle als Schauplatz einführten. Mit Saints Row wollen die Entwickler nun einen Neustart wagen. Zurück zu den Wurzeln des dritten Teils, der die Reihe seinerzeit so besonders gemacht hat. Dabei eine Mischung aus Verbrechenssimulation und abgedrehter Level. Ob der Spagat klappen konnte, oder diesmal der Vergleich mit GTA V herhalten muss, verraten wir euch im Test:
Die Andersartigkeit des Reboots wird sofort mit der Spielwelt klar. Während die Städte der vergangenen Teile wahlweise ,,Los Angeles“- oder ,,New York“-Abklatsche waren, zieht es die Saints diesmal in die Wüste. Santo Ileso ist dabei eine Mischung aus diversen amerikanischen Grenzstaaten. Mit unbesiedelten Wüsten, tiefen Canyons, Strandpromenaden, einzelnen Siedlungen und einem größeren Stadtareal.
Im Vergleich mit anderen Open-World-Spielen, fällt die Spielwelt von Saints Row dabei eher überschaubar aus. Dafür ist sie gespickt mit Aktivitäten, die mal gewohnt unterhaltsam (Versicherungsbetrug), mal repetitiv (Gangkriminalität) ausfallen. Auch wenn es eine Vielzahl an unterschiedlichen Nebenjobs gibt, lohnen sich davon nur die wenigsten wirklich. Während meiner Spielzeit musste ich feststellen, dass ich nach dem einmaligen Ausprobieren, kaum noch freiwillig zu ihnen zurückkehrte. Als Haupteinnahmequelle der Ingame-Währung, waren sie leider oft unumgänglich.
Denn hat man erst einmal Geld verdient, gibt es zahlreiche Wege es wieder auszugeben. Die Spielwelt ist bis zum Rand gefüllt mit Bekleidungsgeschäften, Waffenläden und Tuning-Werkstätte, die oft alle etwas neues bieten. Das Spiel überschüttet euch mit einzigartigen Waffen und Outfits, die eure Spielfigur noch persönlicher gestalten.
Und Persönlichkeit wird, wie in den bisherigen Saints Rows, auch diesmal wieder ganz groß geschrieben. Bereits im ausführlichen Charaktereditor scheinen die Möglichkeiten fast grenzenlos. Ob Elfenohren, Roboterarme oder eine metallene Haut. Die Charaktererstellung lädt zum Ausprobieren/Missbrauchen ein. Ihr könnt sowohl muskelbepackte She-Hulks, als auch schmächtige Bohnenstangen, mit prosthetischen Beinen und scharfen Kannten, erstellen.
Ähnliche Freiheiten bietet auch das Autotuning, das euch all die Möglichkeiten liefert, das Gangmobil eurer Träume zu erstellen. Schon jetzt könnt ihr euch auf ganz besondere Kreationen der Community freuen, die in den kommenden Wochen das Internet überfluten. Man denke hier nur beispielsweise an Elden Ring.
Eine freibegehbare Sandbox mit unzähligen Gestaltungsmöglichkeiten ist ja schön und gut, aber wie steht es um die Story?
Bereits der erste Trailer zum ,,Saints Row“-Reboot stieß bei einigen Fans auf Unverständnis. Ikonische Charaktere aus den vergangenen Teilen waren nicht zu sehen. Dafür ein Kader aus alternativen Hipstern, die scheinbar direkt aus dem nächsten Starbucks rekrutiert wurden. Die von Machismo geprägte Story war für viele Spieler ein integraler Teil der Reihe. Hier die Entwarnung;
Saints Row liefert immer noch die abgefahrenen Level und over-the-top Actionsequenzen, die man aus dem dritten und vierten Teil gewohnt ist. Auch wenn die Charaktere diesmal tatsächlich nicht so lange im Gedächtnis bleiben können, wie es ein Julius Little oder ein Johnny Gat eindrucksvoll geschafft haben.
Erfrischend ist dennoch, dass wir zu Beginn der Handlung als einfacher Soldatin/Soldatin starten. Wir sind weder der Präsident der Vereinigten Staaten, noch ein alteingesessener Gangbanger. Vielmehr sind wir Teil einer paramilitärischen Gruppe und leben in einer Wohngemeinschaft aus gleichgesinnten Teilzeitverbrechern. Als wir gefeuert werden, wird auch das Geld knapp. Die logische nächste Option: die Gründung einer Gang!
Im Laufe des Spieles ist dies genau unsere Aufgabe. Wir richten eine alte Kirche zu unserem Hauptquartier um, die wir gleichzeitig auch mit netten Fundstücken aus der Welt aufhübschen können. Schaffen uns zwielichtige Geschäftspartner an, mit deren Hilfe wir zu Nebenjobs kommen. Und rekrutieren weitere Ganngitglieder. Die Hauptmissionen bekommen wir dabei per Handy von einem unserer Gefährten, die oftmals in großen Actionspektakeln enden. Oft hingegen auch nur einfache ,,fahr zu Punkt A und erledige X Gegner“-Missionen sind, die schnell eintönig werden können. Die Origin-Story der Santo Ileso Saints ist dabei jedoch der beste Teil des Spiels. Die Charaktere sind weitestgehend sympathisch, die Missionen oftmals spektakulär und die Actionsequenzen nie zu lange, dass sie fad erscheinen. Beim Gameplay sieht das allerdings anders aus.
Während die Story rund um die Etablierung der eigenen Gang ein Highlight des Spiels ist, ist das Gameplay eine der Schwächen. Bereits die vergangenen Titel hatten mit eintönigen Schießereien zu kämpfen, die selbst durch eine Vielzahl unterschiedlichster Waffen nicht immer besser wurden. Gegner treten meistens in großen Wellen auf, bei denen sie dem Spieler stupide entgegenrennen, bis man ihre Lebensleiste auf Null gezogen hat. Ein fehlendes Deckungssystem macht die Kämpfe zwar immer temporeich, eine einfache KI und Bulletsponge-Gegner wirken hingegen schnell monoton.
Hinzukommt noch, dass die meisten Missionen nach dem selben Schema verlaufen. Ein Problem, das dabei viele Open-World-Spiele teilen. Man fährt zu Punkt A, hört sich ein für die langen Fahrtwege viel zu kurzes Gespräch an. Tötet vor Ort alles und jeden. Und wiederholt das ganze beim nächsten Ziel. Aufregende Sequenzen wie eine ,,Mad Max: Fury Road“-Verfolgungsjagd sind dabei eher spärlich. Sie stechen dafür aber umso mehr heraus. Erfrischend ist dabei jedoch, dass das Spiel gar nicht erst versucht Realismus zu zeigen.
An jeder Ecke, von der Fahrphysik, bis hin zu den Actionsequenzen, ist schnell klar, dass es sich hierbei um eine Parodie des Genres handelt. Lange habe ich kein Spiel mehr gespielt, das sich so sehr wie ein Videospiel angefühlt hat. Dies beginnt in der Charaktererstellung und endet in angefahrenen Hydranten, die dein Auto durch Wasserdruck in die Luft befördert. Saints Row möchte als Fortsetzung ernstgenommen werden. Dass es sich dabei selbst so gar nicht ernst nimmt, ist eine erfrischende Abwechslung zu den Genregrößen wie GTA 5 und Red Dead Redemption 2.
Mit Saints Row haben die Entwickler ein Wagnis unternommen. Kann eine altgewordene Spielereihe, die zuletzt immer abgedrehter wurde, durch Rückbesinnung zu den alten Werten, erneut relevant werden? Die Antwort ist ein zurückhaltendes Ja. Während das neue Reboot zwar viele Schwächen der Vorgänger, wie die monotonen Kämpfe und eine nicht zeigemäße Grafik, teilt, liefert es dennoch genug Neues, um herauszustechen. In einer Gamingwelt, in der der Trend in Richtung Realismus geht, ist das Reboot ein erfrischender Schritt zurück.
Ein Videospiel, das weiß was es es ist und nicht mehr sein möchte. Wer in einem Spiel das größtmögliche Chaos anstellen, sich frei entfalten und eine nette Story vom Aufbau einer Gang genießen will, wird mit Saints Row seinen Spaß haben. Wer ein GTA V erwartet, der dürfte hingegen enttäuscht sein. Die Reihe hat nichts mehr mit den Spielen zu tun, von denen es sich seinerzeit inspirieren hat lassen. Ob das gut oder schlecht ist, muss jeder für sich selbst herausfinden.