Vorraus Vasallen!

Dragon’s Dogma 2 (PC) – Game Review

Dragon's Dogma 2 ist ein unterhaltsames und riesiges Fantasy-RPG, welches an einigen Stellen gewöhnungsbedürftige Eigenheiten hat.

Das Wichtigste in Kürze

  • Riesige, abwechslungsreiche Spielwelt mit vielen Geheimnissen
  • Kreativ und meist geschickt agierende KI-Vasallen
  • Eher für RPG-Liebhaber geeignet

Capcom hat nach zwölf Jahren einen Nachfolger für sein beliebtes Fantasy-Rollenspiel auf den Markt gebracht: Dragon’s Dogma 2. Die ersten Bilder und Videos zeigten Kämpfe von mehreren Kriegern gegen große Monster wie Greifen oder Trolle in einer realistisch angehauchten Mittelalter-Fantasywelt. Ihr seid der Erweckte, der sich auf die Suche nach dem furchterregenden Drachen macht, welcher euch einst in einem blutigen Kampf das Herz herausgerissen hat. Zum Glück müsst ihr diese Reise nicht allein antreten, sondern könnt aus einem schier endlosen Fundus an treu ergebenen Vasallen wählen.

Konkurrenz für Baldur’s Gate und Co.?

Im letzten Jahr wurde das klassische RPG Baldur’s Gate 3 mit dem Game-of-the-Year-Award ausgezeichnet. Es hat das Genre in vielerlei Hinsicht revolutioniert und zahlreiche Spieler beeinflusst. In diesem Jahr erlebte eines der beliebtesten Videospiele aller Zeiten, das JRPG Final Fantasy 7 Rebirth, in Form eines Remakes eine Renaissance. Natürlich ist Dragon’s Dogma 2 nicht direkt mit diesen Spielen vergleichbar und hat wahrscheinlich andere Ansprüche. Dennoch muss ein Genrevertreter im Rollenspielbereich heutzutage einiges bieten, um die Spielerschaft zu begeistern und potenziell neue Fans zu gewinnen.

Charakter-Editor mit unendlichen Möglichkeiten

Dragon’s Dogma 2 bietet einen extrem detaillierten Charaktereditor. Dieser öffnet sich kurz nach der Introsequenz und noch einmal nach der Tutorialmission, wenn ihr in der ersten Ortschaft ankommt. Beim zweiten Besuch im Editor erstellt ihr euren Hauptvasallen, der euch im Laufe der Story stets im Kampf und auf der Reise loyal zur Seite steht.

Entwickler Capcom hat einen interessanten Kniff gewählt: Sie stellten den Charakter-Editor mehrere Tage im Vorfeld zur Verfügung. So konnten künftige Spieler in aller Ruhe ihre Kämpfer – entweder Mensch oder die katzenartigen Biestren – bis ins kleinste Detail perfektionieren. Von Haarglanz und Hautschattierungen über einen kantigen Kiefer und Doppelkinn bis hin zum breiten Kreuz und knackigen Gesäß – die Möglichkeiten sind vielfältig.

Bereits vorab entstanden wilde Kreationen und Adaptionen aus anderen Franchises. Spieler gestalteten Charaktere wie Paul Atreides aus Dune, Daenerys Targaryen aus Game of Thrones oder sogar einen verstörenden Winnie the Pooh. Ihr könnt aus abertausenden Frisuren, Tätowierungen, Haut- und Fellfarben wählen und Kleinigkeiten wie den Farbverlauf der Iris bearbeiten. Die Entwürfe aus dem vorab verfügbaren Editor können im Spiel ganz einfach importiert werden. Es bleibt spannend, wann diese Vorgehensweise erstmals als kostenpflichtiger Zusatz-Content in die Videospielwelt Einzug hält.

Im Hauptmenü von Dragon’s Dogma 2 fällt auf, dass die Option „Neues Spiel“ fehlt. Tatsächlich gibt es nur einen Spielstand, und man kann kein neues Spiel beginnen. Capcom hat jedoch angekündigt, diesen Umstand mit einem baldigen Update zu beheben. Bis dahin ist es fragwürdig und unnötig umständlich: Auf dem PC muss man den Spielstand manuell löschen. In Aktion und Zwischensequenzen bewegt sich die Figur anders, und Details sehen nicht so aus wie im Editor.

Zu Befehl Meister!

Das Vasallensystem ist einer der interessantesten Aspekte von Dragon’s Dogma 2. Euren Hauptvasallen könnt ihr, wie euch selbst, einer der vier Laufbahnen zuordnen: Kämpfer, Bogenschütze, Magier oder Dieb. Im Laufe des Spiels habt ihr die Möglichkeit, ihn (und euch) umzuschulen. Auch die Klassen Krieger und Erzmagier stehen nach kurzer Zeit zur Verfügung. Insgesamt gibt es zehn Laufbahnen, die unter bestimmten Voraussetzungen erlernt werden können, teils jedoch nur vom Erweckten.

An den in der Welt verstreuten Riftsteinen könnt ihr bis zu zwei weitere Vasallen rekrutieren. Wenn ihr online seid, könnt ihr auf von anderen Spielern erstellte Kämpfer zurückgreifen und habt dabei stets die Qual der Wahl. Für die Dienste stärkerer Helfer müsst ihr Riftkristalle investieren, die ihr unter anderem durch die Beschäftigung von schwächeren Vasallen verdient – aber auch während der Story erlangt.

Die Vasallen stehen ihrem Meister in den Kämpfen stets treu bei Seite. – © Capcom

Ebenso könnt ihr euren Hauptvasallen zur Verfügung stellen (der natürlich trotzdem parallel immer in eurem Dienst bleibt) und damit ein paar Bedingungen für den neuen „Meister“ verknüpfen. Das kann einfach bedeuten, dass sie eine gewisse Zeit lang zusammen reisen oder bestimmte Monster erlegen sollen. Für die Erfüllung legt ihr eine Belohnung in Form von Gold, Ausrüstung oder Gegenständen für den anderen Spieler fest. Im Gegenzug erhalten die Vasallen Abzeichen für bestimmte Aufgaben und versorgen euch so mit Kampftaktiken gegen bestimmte Monsterarten oder Kenntnisse über Regionen.

Mangelhafte Vertonung und Gespräche

Die “Mietvasallen” in Dragon’s Dogma 2 steigen nicht im Level auf, daher müsst ihr sie im Laufe des Spiels gelegentlich ersetzen. Jeder Vasall besitzt verschiedene Wesensarten und Taktiken. Je nach Bedarf könnt ihr Helfer wählen, die auf der Reise Materialien sammeln oder offensiv auf jeden Gegner zustürmen. Außerdem haben Vasallen die Möglichkeit, verschiedene Spezialisierungen zu erlernen. Dadurch können sie eigenmächtig Heilmittel einsetzen oder Gepäck unter der Gruppe verteilen. Mit Kurzbefehlen könnt ihr die Gruppe zu euch rufen, zum Angriff blasen oder ihnen signalisieren, an einem Ort auf euch zu warten.

An den sogenannten Riftsteinen, welche über die gesamte Karte verstreut sind, lassen sich neue Begleiter anheuern. – © Capcom

Das Spiel ist ausschließlich in Japanisch und Englisch vertont – und zwar in britischem Englisch. Dies soll eleganter klingen und zur Spielwelt passen. Untertitel in Deutsch könnt ihr natürlich aktivieren. Bereitet euch darauf vor, viel unnützes Geplapper zu hören: Die Vasallen unterhalten sich über ihre Erfahrungen in der Welt, machen euch auf Leitern oder an Ladentüren geheftete Notizen aufmerksam oder geben fast anbiedernde Komplimente. Nach kurzer Spielzeit kann das eher nervig als lebendig wirken, da sich die Kommentare schnell wiederholen. Ihr könnt sie wahrscheinlich bald mitsprechen. Natürlich ist das auch in anderen Spielen der Fall: NPCs haben keinen endlosen Sprachschatz, und Kampfgefährten dreschen immer dieselben Sprüche. Wenn ihr jedoch stetige Begleiter habt, die euch mit Unterhaltungen und Anekdoten den Alltag aufheitern wollen, aber dabei auf einen sehr begrenzten Fundus zurückgreifen, kann das leider etwas lästig sein.

Das Wandern ist des Spielers Lust

Das Abenteuer in Dragon’s Dogma 2 beginnt sehr klassisch – oder vielleicht sogar etwas uninspiriert –: Ihr findet euch im Gefängnis wieder. Dabei wurde euch in der Anfangsszene noch suggeriert, dass ihr ein Herrscher seid. Wie konnte es also nur so weit kommen? Nach einem Tutorialkampf mit einer optisch beeindruckenden Medusa, die einen gewaltigen Schlangenkörper hat, gelingt euch die Flucht. Schnell wird klar: Ihr seid der wahre Erweckte, der rechtmäßige Herrscher. Doch der Thron wird von einem Betrüger besetzt. Zum Glück gibt es ein paar Menschen, die euch glauben und deren Verbindungen bis in die höchsten Reihen reichen. Dennoch müsst ihr euch beweisen und die Intrige für die Öffentlichkeit aufdecken.

Soweit zur Prämisse. In der Realität reist ihr viel durch die Lande – und zwar zu Fuß. Schnellreisen sind möglich, wenn ihr einen entsprechenden Zielpunkt aktiviert habt, aber sie sind teuer. Dafür müsst ihr einen Reisestein verbrauchen. Diese Steine sind zwar nicht so selten, wie ich zunächst befürchtet hatte. Manchmal bekommt ihr sie als Belohnung oder findet sie in Schatztruhen. Der Kaufpreis von 10.000 Goldmünzen ist zwar knackig, aber nicht horrend. Dennoch sind die Zielmöglichkeiten, zu denen ihr reisen könnt, sehr begrenzt. Oft müsst ihr von dort aus noch ein gutes Stück zu Fuß unterwegs sein.

Wer sich auf das Spiel einlässt hat ausgiebige Fußmärsche über die riesige Map vor sich. – © Capcom

Gegner an jeder Ecke

Hideaki Itsuno, der Game Director von Dragon’s Dogma 2, betonte im Vorfeld, dass herkömmliches Reisen nur dann langweilig sei, wenn das Spiel selbst langweilig ist. Daher habe das Entwicklerteam eine Welt erschaffen, die so spannend ist, dass man sie gerne bereist. Diese großen Worte stellen nun eine Herausforderung für das Spiel dar und meiner Meinung nach hat Itsuno damit einen wunden Punkt getroffen. Denn obwohl die Welt durchaus schön ist und es viel zu entdecken gibt, werden die Kämpfe schnell lästig. Kaum zwei Minuten kann ich mich frei bewegen, ohne auf eine Gruppe Goblins, ein Rudel Wölfe, ein Nest Harpyien oder einen herumlungernden Zyklopen zu stoßen. Natürlich sollen auch Kämpfe im freien Feld stattfinden, aber ihre Häufigkeit und die Tatsache, dass sie nicht immer Teil einer Quest sind, wirken bereits früh im Spiel repetitiv und machen mich irgendwann kampfmüde.

Die Spielwelt von Dragon’s Dogma 2 ist voller tödlicher Gefahren, wie dieser monströse Greif. – © Capcom

Ich verstehe, dass viele das Spiel kritisch siehen. Die vermeintlichen Alleinstellungsmerkmale, die uns begeistern sollen, können sich manchmal als Schwächen herausstellen. Die Welt mag nicht so fesselnd sein, das Reisen zu langwierig und die Kämpfe mühsam. Obwohl die Scharmützel in Trailern und Videos beeindruckend aussehen, kann die ständige Konfrontation mit Gegnern ermüdend sein. Es ist, als ob man einen endlosen Kampf gegen eine unaufhörliche Welle von Feinden führt. Die Euphorie des Sieges verblasst, wenn man weiß, dass die nächste Herausforderung bereits wartet. In diesem Sinne sind die Kämpfe im Spiel wie die mythische Aufgabe des Sisyphos, der immer wieder einen Felsblock den Berg hinaufrollen muss, nur um ihn immer wieder hinabstürzen zu sehen.

Wenn man ständig denselben Weg zum nächsten Questziel zurücklegt und dabei unaufhörlich von den gleichen Gegnertypen wie Echsenmenschen oder Goblinmeuten attackiert wird, kann das frustrierend sein. Es fühlt sich an, als ob man in einem endlosen Kreislauf gefangen ist. Die Entwickler haben versucht, eine fesselnde Spielwelt zu gestalten, aber wenn diese Welt nur aus ständigen Kämpfen besteht, kann das die Spielererfahrung beeinträchtigen. Vielleicht wäre eine ausgewogenere Balance zwischen Erkundung und Herausforderungen sinnvoll, um die Spieler nicht zu überfordern.

Wenn es zu einem großen Kampf kommt, scheint mein Mitwirken fast überflüssig zu sein. Wenn beispielsweise ein Drache eine Ortschaft angreift, stürzen sich nicht nur meine Vasallen auf das Untier, sondern auch zahlreiche Ritter oder fahrende Krieger in den Kampf. Dabei bereiten mir gerade die Auseinandersetzungen mit den größeren Monstern Freude. Ich kann mich an diesen Ungetümen festkrallen und sie mit Schwerthieben und -stichen attackieren. Außerdem stehen mir Sonderangriffe zur Verfügung, die ich zuvor in einem Fertigkeitenmenü freischalte, wie beispielsweise Schildschläge oder Sprungattacken. Theoretisch könnte ich mich aber auch einfach hinter einer Mauer verstecken und warten, bis die anderen die Drecksarbeit erledigen. Trotzdem erhalte ich im Anschluss den Dank der Bevölkerung und der Armee.

Fazit zu Dragon’s Dogma 2

Dragon’s Dogma 2 ist kein Titel für jeden Spieler sondern eher für RPG-Veteranen eignet. Die Speicher- und Schnellreise-Mechaniken wirken sperriger als in vergleichbaren Open-World-Spielen, und die Fußmärsche durch die schönen Landschaften ziehen sich mitunter ziemlich in die Länge. Plötzlich auftauchende Gegner an jeder Ecke können einen dabei recht schnell aus dem Konzept bringen. Wer sich jedoch auf diese Herausforderungen einlässt, die zahlreichen Feinheiten des spannenden Kampfsystems ausreizt, regelmäßig mit seinen Vasallen interagiert und sich ausreichend Zeit für die Erkundung der facettenreichen Spielwelt nimmt, wird hier sehr befriedigende Action-Rollenspiel-Momente erleben. Besonders vielfältig sind die Lösungsmöglichkeiten für zahlreiche Missionen, und man spürt unmittelbar die Auswirkungen der eigenen (Fehl-)Entscheidungen. Die in sich stimmige doch sehr oberflächliche Erzählwelt hält auch nach der knapp 50- bis 60-stündigen Hauptstory noch unzählige kleine und große Überraschungen bereit.

ReviewWertung

7SCORE

Dragon’s Dogma 2 schickt euch auf ein gigantisches RPG-Abenteuer in eine riesige Fantasy-Welt und knüpft gelungen an den Vorgänger an.

Detail-Wertung

Grafik

7

Sound

9

Gameplay

8

Story

6

Motivation

7

Steuerung

7

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