Kontroverser als gedacht!

Barbie – Filmkritik

Der Barbie-Film erobert nicht nur die Kinos, sondern auch die Diskussions-Plattformen. Ein kontroverser Film, aus mehreren Gründen.

Margot Robbie als Barbie in Warner Bros. Pictures "Barbie" - © 2022 Warner Bros. Entertainment Inc. All rights reserved.

Das Wichtigste in Kürze

  • So viel kontroverse Themen.
  • Schauspielerisch vermutlich eine Challenge.
  • Eine soziale Message die unglaublich wichtig ist.

Ich glaube es gibt aktuell keinen anderen Film der für so viel Gesprächsstoff sorgt wie der Barbie-Film. Es ist schier unglaublich wie kontrovers der Film aufgenommen wird und wie gemischt die Kritiken ausfallen. Was jedoch vermutlich die meisten Menschen überrascht, ist wie viel Wut und Zorn dieser Film zu triggern scheint. Es ist doch nur ein “Kinder-Film über ein Spielzeug”. Oder? Noch dazu ist es eine Komödie mit so übertriebenem Humor dass es doch unmöglich sein kann, darin etwas Zorn weckendes zu finden. Oder?

Nun, der Barbie Film ist mehr als nur eine Komödie voller Klischees und einer ikonischen Spielzeugfigur für kleine Mädchen. Es ist ein Film voller Tiefgang, indirekter und doch sehr direkter Botschaften, ebenso wie eines Mantras und Selbstreflektion. Und das alles verpackt in einem sehr lustigen Film für Groß und Klein.

Barbie in “Barbieland”

In der Geschichte des Films verfolgen wir das Leben der Stereotypen Barbie in – wo könnte es anders sein – “Barbieland”. Wo alle Barbies Leben. Die Doktor-Barbie, Präsidentin-Barbie, Weltraum-Barbie und so weiter. Jede erdenkliche Barbie ist hier und erlebt jeden Tag den besten Tag ihres Lebens. Bis etwas seltsames geschieht und Stereotype Barbie beginnt Todesgedanken zu haben, Cellulite sich auf ihrem Schenkel formt und ihre High-Heel Füße plötzlich flach werden.

Und durch die Komische-Barbie erfährt die Stereotype-Barbie, dass das Mädchen welches mit ihr gerade spielt wohl große Probleme hat und Barbie in die reale Welt muss, um die Beziehung zu dem Mädchen zu retten. Überraschend begleitet wird sie auf dieser Reise von ihrem Ken. Welcher nur einen Sinn in seiner Existenz kennt. Von Barbie gesehen zu werden. Und so weit klingt es nach einem recht einfachen “Film für Kinder rund um Barbie”. Aber genau durch die reale Reise von Barbie und Ken wird der ernste Teil des Films in Gang gesetzt.

Ana Cruz Kayne, Sharon Rooney, Alexandra Shipp, Margot Robbie, Hari Nef und Emma Mackey alle als Barbie in Warner Bros. Pictures "Barbie" - © 2022 Warner Bros. Entertainment Inc. All rights reserved.

Ana Cruz Kayne, Sharon Rooney, Alexandra Shipp, Margot Robbie, Hari Nef und Emma Mackey alle als Barbie in Warner Bros. Pictures “Barbie” – © 2022 Warner Bros. Entertainment Inc. All rights reserved.

Barbie Film: Die reale Welt

In der realen Welt angekommen, sieht sich die StereotypeBarbie konfrontiert mit einer ebenso realen Wahrheit. Dass die reale Welt nicht so aussieht, wie sie sich die Barbies in Barbieland vorstellen. Denn dort herrscht die Vorstellung, dass alle Barbies der Welt wiederum alle Mädchen der Realität dazu beflügeln nach Höherem zu streben. Anwältinnen, Ärztinnen und Nobelpreisträgerinnen zu werden. Dass die reale Welt nur so strotzt vor Frauenpower.

Stattdessen begegnet sie scharenweise Männern, welche sie automatisch sexualisieren, ihr unflätigste Dinge ins Gesicht sagen oder hinterher rufen. Die Männer verhalten sich wie die größten Proleten. Und selbst das Mädchen will nichts von ihr wissen. Da Barbie durch ihre schiere Existenz ein Symbol der Konsumgesellschaft und ungesunden Körperideale darstellt. Mit welchen sie die Leben von Milliarden Mädchen nur schwerer gemacht hat.

Und als wäre das nicht schon genug zu verkraften, so ist da der Mutterkonzern Mattel. Regiert von Männern und nicht Frauen. Die ganze Welt wird regiert von Männern. Übertrieben maskulin selbstverliebten Männern. Ein Faktor in den sich ihr Begleiter Ken zu verlieben scheint und dieses Wissen zurück ins Barbieland mitnimmt. Hier kommt das große Übel im Barbie-Film in Gang.

Das Patriarchat im Barbieland

Ken bringt das Patriarchat ins Barbieland und verändert umgehend Alles. Die Kens sind plötzlich keine Randfiguren mehr, die nur existieren um an der Seite einer erfolgreichen Barbie zu sein, sondern drängen sich übertrieben maskulin in den Vordergrund. Als Stereotype-Barbie wieder zurückkehrt um dem Mädchen, dass sie gefunden hat und ihrer Mutter die Barbie-Welt zu zeigen, findet sie nicht das Paradies für Emanzipation wieder. Sondern einen Höllenschlund aus toxischer Maskulinität. Eine Horde “Mangobier”-saufender Proleten, welche die “Barbie-Gehirne gewaschen haben und nun wie ihre Bediensteten benutzen”.

Die Tage sind nicht mehr wundervoll, sondern dominiert vom servieren besagter Biere und massieren der Füße der Kens. Dem Anschauen von “Der Pate” im Fernsehen und dauerndem Mansplaining zu nahezu jedem Thema dass da nur existiert. Die Darstellung dieser “übermännlichen” Macho-Kens ist so übertrieben für den Comedy-Effekt, aber trauriger Weise gerade dadurch so nah an der Realität der ungesunden und hochgradig toxischen Männer-Blase – wie sie aktuell existiert. Wie zum Beispiel im Dunstkreis des Frauen verachtenden Männer-Trainers Andrew Tate und dessen Fanboys.

Ryan Gosling als Ken Margot Robbie als Barbie in Warner Bros. Pictures "Barbie" - © 2022 Warner Bros. Entertainment Inc. All rights reserved.

Ryan Gosling als Ken Margot Robbie als Barbie in Warner Bros. Pictures “Barbie” – © 2022 Warner Bros. Entertainment Inc. All rights reserved.

Barbie: Ein Film voller Botschaften

Die Botschaft für die ganze Menschheit: Wir streben Tag ein Tag aus nach Idealen. Ideale die uns von einer sehr künstlichen Welt vorgestellt werden. Die Medien, Konsumgüter und sogar unser Spielzeug zeigt uns, dass der “perfekte Mensch” existiert. Wir müssen uns nur mehr anstrengen. Mehr leisten. Mehr erreichen im Leben. Mehr Karriere, Geld und Macht zur Verfügung haben. Und zugleich weniger sein. Weniger außergewöhnlich, weniger Anders, weniger Gewicht, weniger Cellulite oder Falten. Und unter diesen Vorgaben einer gänzlich fiktiven Welt, machen wir Menschen uns Druck diese Perfektion zu erreichen. Selbst wenn es uns die eigene psychische und physische Gesundheit kostet.

Die Botschaft für Mädchen und Frauen

Und dieser Druck trifft Mädchen und Frauen noch härter. Du bist ein Mann der diese Aussage gerade belächelt oder gar als Angriff sieht? Dann raus aus meinem Artikel und lies etwas über Fußball. Der Barbie Film zeigt durch die Mutter und einen unglaublichen Monolog, dass in diesem ganzen Druck den wir Menschen uns bereits aufgrund falscher Ideale machen, es Mädchen und Frauen nur noch härter trifft.

Weil sie sich die Gesellschaft einer Doppelmoral  stellen muss, die Frauen seit Jahrhunderten mehr abverlangt. Und im selben Atemzug in der Rolle als Mutter noch mehr Verantwortung auflädt. Obwohl Mutterschaft nicht der Weg ist den jede junge Frau überhaupt gehen will.

Sie fasst es recht gut zusammen in ihrem Monolog, als sie sagt: “Du sollst hübsch sein, aber nicht zu hübsch. Denn du könntest die Männer zu sehr reizen und andere Frauen werden eifersüchtig sein. Du sollst Karriere machen, aber deine Familie solltest du nicht vernachlässigen. Du sollst sexy sein aber keine Schlampe. Du sollst aber auch nicht prüde sein.”

Und so geht es weiter mit all den Doppelmoral-Erwartungen auf denen Frauen wie auf Messers Schneide balancieren müssen. Zusätzlich zur Erfüllung sozialer, gesellschaftlicher und medialer “Perfektion”. Wo bleibt da das “Ich selbst sein?”, dafür scheint es keinen Platz zu geben.

Die Botschaft für Jungs und Männer

Wo wir bei der Botschaft für die Männlichkeit sind. Und hier wird der Barbie-Film – meiner Meinung nach – zu Unrecht als “Männerhassend” oder “Woke-Feministisch” bezeichnet. Denn für die Jungs und Männer dieser Welt, steckt eine tief sitzende Botschaft im finalen Akt des Films. Welche eine simple Frage in den Raum stellt. Wenn man all dieses toxisch männliche Gehabe weg nimmt.

Wenn man die dicken Autos, das Geld, die Häuser und die Aufmerksamkeit der Frauen weg nimmt. Wer bist du ohne Barbie? Oder genauer gesagt, wer bist du wenn du dich niemandem gegenüber beweisen musst? Barbie sagt Ken das genau so im finalen Akt. Geh hinaus und finde heraus wer du bist. Finde heraus wer Ken eigentlich ist ohne Barbie. Sei du selbst. Und sei authentisch darin.

Das künstlich Aufgeblasene hätte im Verlauf die ganze Barbie-Welt zerstört. Eine Welt die eigentlich perfekt lief. In der ausnahmslos alle glücklich waren und einen großartigen Tag nach dem anderen erlebten. Wenn Ken aber nicht weiß wer er ist, ohne von Barbie gesehen zu werden, dann wird er diesen großartigen Tag nie wahrnehmen. Weil sich sein ganzes Streben, seine Existenz und sein Handeln nur darum dreht “externe Bestätigung” zu erhalten. Anstatt mal Freude in sich selbst zu entdecken.

Fazit zu Barbie der Film

Wenn mir mal jemand gesagt hätte, dass ich mich so gut unterhalten fühle, in einem Film über die Barbie Puppe. Ich hätte es nicht geglaubt. Und wenn diese Person mir dann noch erklärt hätte, dass dieses Barbie Abenteuer mir sozial- und gesellschaftskritische Themen aufzeigt, die mich Tage später noch mit interessanten Gedanken bewegen. Vermutlich hätte ich die Person gefragt was sie oder er geraucht haben. Aber nun sitze ich hier, tippe eine Film-Kritik zu einem der spannendsten Projekte der letzten Jahrzehnte. Der Film ist großartig, auf so vielen Ebenen. Sei dies die schauspielerische Leistung. Seien es die wertvollen Botschaften. Aber der Film ist nicht ganz fehlerfrei!

Insbesondere die deutsche Synchronisation hat den ein oder anderen Übersetzungsfehler, welche mir im Kontext der Dialoge aufgefallen sind. (z.b: sagt gegen Ende Ruth zu Barbie “Verneige dich”, was aus dem Englischen “Take a bow” übersetzt wurde. Das bedeutet eigentlich mehr so viel wie “das ist dein Applaus, auf die Bühne und genieß deinen Jubel.”) Und für mich war die CEO Figur von Mattel (gespielt von Will Ferrell) teilweise zu steif und mechanisch. Obwohl Ferrell solche Rollen sonst so gut drauf hat.

Was ich aber klar sagen kann, ist dass ich der Meinung bin, dass dieser Barbie-Film Mehrwert hat. Für Mädchen und Jungs. Für Frauen und Männer. Für alle Menschen da draußen, die sich vielleicht gar keinem Geschlecht zugehörig fühlen. Alt wie jung. Wenn ihr Barbie seht und mit offenen Augen und Ohren diese Story verfolg, werdet ihr ein Stück reicher aus dem Kino kommen. Solltet ihr das Gefühl haben, dieser Film hat euch getroffen. Vielleicht sogar gekränkt. Dann würde ich eher in Reflektion gehen und fragen “Warum?”. Wie kann es sein, dass diese überspitze Darstellung solcher Klischees euch trifft? Und wo ist da eine Chance zu wachsen versteckt?

ReviewWertung

8SCORE

Der Barbie-Film ist eine überraschend unterhaltsame, grell pinke Kritik an einer Gesellschaft die jungen Frauen auf die faulste Art und Weise "Vorbild" sein will ohne wirklich eins zu müssen.

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