Indiana Jones ist nach über einem Jahrzehnt ein letztes Mal zurück.
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Als Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels 2008 in die Kinos kam, wurden bereits im Vorfeld Fragen nach der Sinnhaftigkeit einer Fortsetzung aufgeworfen. Konnte ein Franchise, das von seinen dynamischen Actionsequenzen und seinem charmanten Titelhelden lebt, sechzehn Jahre nach dem Vorgänger immer noch überzeugen? Die Antwort war ein ohrenbetäubendes „Nein“, das enttäuschte Fans und aufkommende Internetkritiker auf der ganzen Welt hinausposaunten. Kann es Indiana Jones und das Rad des Schicksals mit Harrison Ford in seiner ikonischen Rolle besser machen?
„Königreich des Kristallschädels“ hatte seine unübersehbaren Schwächen. Aber er war bei weitem nicht so schlecht, wie uns der 2008 geführte Diskurs glauben ließ. Dennoch zeigte der vierte Indiana Jones-Film schon damals die Limitation eines Franchise, das mindestens genau so alterte wie sein namensgebender Held. Subtile Mystik und handgemachte Stuntarbeit wichen modernen Effekte, rasanter Blockbuster-Action und augenzwinkernde Fanmomenten. Methoden, die die kommende Kinolandschaft – nicht zuletzt durch den zeitgleich eintretenden Start des Marvel Cinematic Universe – prägen würden. Doch wie viel Modernität konnte sich eine Reihe leisten, deren Leitsatz es schon immer war, dass manche Dinge in ein Museum gehören?
Mit dieser Frage sieht sich nun auch der neuste Teil der Reihe konfrontiert. Indiana Jones und das Rad des Schicksals ist der erste Teil des nunmehr fünfteiligen Franchise, bei dem nicht Meisterfilmemacher Steven Spielberg hinter der Kamera stand. Vielmehr soll der „Logan“-Regisseur James Mangold Indy in ein neues Zeitalter der Massenunterhalten hieven und dem alternden Archäologen dabei einen würdigen Abschluss bereiten. Denn weder Archäologie noch Hollywood kennen die ewige Ruhe. Selbst was begraben ist, bleibt niemals wirklich unberührt. Warum es in diesem Fall aber nicht besser gewesen wäre, erfahrt ihr in unserer Filmkritik.
Viel Zeit ist seit Königreich des Kristallschädels vergangen. Keiner hat diesen Umstand mehr zu spüren bekommen, wie der titelgebende Henry Jones Jr. (Harrison Ford), der zu Beginn der Handlung von der Zeit gezeichnet ist. Vergangen sind die Tage der liebäugelnden Studentinnen. Als ergrauter Professor schafft er es mit seinen trockenen Vorlesungen kaum mehr seine Studierenden wach zu halten. Auch das so verheißungsvolle Ende von Teil 4 scheint passe. Nach jahrelanger Kritik möchte Indy 5 kaum mehr etwas von seinem Vorgänger wissen. Mutt Williams (Shia Labouf), der kurzzeitlich als Indys Nachfolger gehandelt wurde, ist nur noch eine Randerwähnung wert. Marion Ravenwood, der Indy zuletzt noch das Jawort gab, ist derweil nicht mehr nur eine Ex-Geliebte, sondern auch eine Exfrau. Während also Amerika gerade 1969 den erfolgreichen Abschluss der Mondmission und den Aufbruch in eine neue Zeit feiert, bleibt kein Platz mehr für einen Mann wie Indiana Jones. Der alternde Historiker verabschiedet sich in den wohlverdienten Ruhestand. Übrig bleibt der missmutige alte Mann, den Harrison Ford auch in der realen Welt so meisterhaft verkörpert.
Als jedoch die aufmüpfige Patentochter auf der Bildfläche erscheint, entspannt sich eine internationale Hatz nach einem mysteriösen Werkzeug des antiken Erfinders Archimedes. Samt CIA-Verschwörung, Nazi-Gegnern, sowie alten und neuen Verbündeten. In typischer Manier der Reihe, sind die Bösewichte im Film jedoch kaum der Rede wert. Der ehemalige Bond-Bösewicht Mads Mikkelsen spielt einen ehemaligen Nazi-Forscher, der nach der Niederlage Deutschlands der amerikanischen Regierung bei der Umsetzung der Mond-Mission half, bekommt in der Rolle aber zu wenig zu tun. Unterstützt wird er vom schießwütigen Boyd Holbrock, sowie einem deutschen, muskelbepackten Terminator, der an Jäger des verlorenen Schatzes erinnern soll.
Anders als zuletzt der vierte Teil, weiß der Film aber nicht so wirklich etwas mit dem 1960er-Setting anzufangen. Harrison Ford verkörpert den Mann einer vergangenen Zeit zwar gewohnt hervorragend, schon bald ist vom durchaus spannenden Wettrennen ins All aber kaum noch die Rede. Denn es verfrachtet die Helden- und Schurkengruppe wahlweise in dunkle Höhlen, alte Gräber und ins tiefe Wasser. Eine Verfolgungsjagd durch das feiernde New York der 1960er-Jahre zu Beginn des Films, ist jedoch eines der Highlights. Natürlich gibt es den ein oder anderen Witz auf Kosten Indys Alter, dies schaffte Teil 4 aber auch schon konsequenter. Auch wenn ein Mitte 60-Jähriger Indiana Jones im Vergleich zum nunmehr 80-Jährigen Harrison Ford fast schon jugendlich wirkte.
Nachdem Shia LaBeouf nicht den erhofften Erfolg erzielte, bekommt Indy diesmal seine Patentochter an die Seite. Gespielt von Phoebe Waller-Bridge ist Helena Shaw eine weibliche Protagonistin, die die Reihe so bisher noch nicht hatte. Als Kehrseite zu Indiana Jones verfügt sie über den selben, archäologischen Wissensdrang und Sinn fürs Abenteuer. Anders als der Fedora tragende Held, ist sie aber weniger ruhmreich. Sie betrügt und raubt, um Geld und Profit zu machen. Auch wenn sie den ein oder andere lockeren Spruch auf den Lippen mehr gebraucht hätte, um wirklich im Gedächtnis bleiben zu können. Helena und Indys Beziehung ist hierbei der wichtigste Aspekt des Films. Verkörpert sie doch all die Modernität, die Indy nicht mehr aufbringen kann. Dennoch liefert ihre Bekehrung den richtigen Stoff für eine „Indiana Jones“-Geschichte, in der Indy ein letztes Mal alles riskieren muss, um die Welt vor dem Bösen zu retten.
Die Handlung verlässt sich dabei, nicht unüblich für Filme der Reihe, auf die Suche nach einem sagenumwobenen Artefakt. Hierbei beweist der Film allerdings, dass er nichts von den Kritikpunkten von Teil vier gelernt hat. Der dritte Akt, das große Finale, gestaltet sich dermaßen unglaubwürdig, dass man die Beteiligten wirklich fragen sollte, ob sie die Aliens in Königreich des Kristallschädels überhaupt gesehen haben. Natürlich basiert die Reihe auf den pulpigen Comicstrips der 1940er-Jahre, in denen die Helden schonmal wahnwitzige Abenteuer erlebten. Was Indiana Jones und das Rad des Schicksals hingegen macht, sprengt jeden Rahmen der Glaubwürdigkeit, den die ersten drei Teile trotz heiligem Gral und Bundeslade aufgebaut haben. Indy bekommt zwar einen passenden, thematisch Abschluss (der je nach Erfolg des Films natürlich nicht in Stein gemeißelt ist), dies passiert aber in so einem absurden Finale, dass einem das Mitfühlen schwerfällt. Sicher durch Genrekonventionen geprägt, bekommt der Film im letzten Drittel eine CGI-Luftschlacht, die so auch in einem Marvel-Film vorkommen könnte.
Es hilft hierbei auch nicht, dass James Mangold der Reihe genau jene Elemente entzieht, die die ersten drei Teile großartig gemacht haben. Den Realismus. Steven Spielberg legte seinerzeit viel Wert auf überzeugende Stuntarbeit in den Actionsequenzen. Große Set Pieces gab es dadurch zwar nicht, aber die wenigen, die es gab, waren markant und glaubhaft inszeniert. Zum Teil, weil fehlende CGI-Effekte in en 1980er-Jahren es erforderten. Andererseits aber auch, weil Indys Taten so eine taktile Echtheit erhielten, die uns die übernatürlichen Momente leichter glaubhaft machten. In Indiana Jones und das Rad des Schicksals beugt sich die Reihe, nach ersten Schritten in Indy 4, gänzlich den modernen Blockbusterkonventionen. Verfolgungsjagden sind schnell geschnitten. Die Kamera ist so nahe am Geschehen, dass sie darüber hinwegtäuschen soll, dass wir Harrison Fords 80-jähriges Gesicht auf einem jüngeren Stuntman sehen, der vor einem Green Screen diverse Schläge verteilt. Dementsprechend sind die Actionsequenzen größer und explosiver, dafür aber auch weniger spektakulär, weil sie sich wie jeder aktueller Netflix-Actionfilm anfühlen, die größtenteils in der Post-Produktion entstehen.
Dieser Hang zur Modernität fällt dann besonders auf, wenn wir als Zuschauer und Fans der Reihe Vergleiche ziehen können. So beginnt der Film mit einer 20-minütigen Rückblende, die in einer großen Sequenz auf einem fahrenden Zug endet. Während eine ähnliche Sequenz dieser Art in Indy 3 ein perfekt durchchoreographiertes Erlebnis voller echter Stunts und echter Züge war, wirken die Szenen hier künstlich und adynamisch. Und das wäre nicht so schlimm. Immerhin schaffen es moderne Actionfilme auch großartige Kampfsequenzen zu inszenieren. Aber in einer Reihe, in der einer der spektakulärsten Stunts der Sprung von einem Pferd auf einen fahrenden Panzer ist, braucht es keinen CGI-Harrison Ford, der aus einem CGI-Flugzeug fliegt. Indiana Jones und das Rad des Schicksals wirkt so an vielen Stellen lediglich wie einer der Blockbuster, die sich in den Jahrzehnten nach Jäger des verlorenen Schatzes davon inspirieren ließen und nicht mehr wie der tonangebende Akteur im Abenteuer-Genre.
Indiana Jones und das Rad des Schicksals ist ein Produkt seiner Zeit. Echte Stunts und gefährliche Actionsequenzen weichen einer Modernität, mit der der 80-jährige Indy nicht mehr mithalten kann. Der Film liefert in seinem klischeehaften Plot die Jagd nach einem verlorenen Schatz und grast dabei nur die Checkboxen ab, ohne wirklich etwas Neues über den alternden Helden zu sagen. Phoebe Waller-Bridge ist eine spannende neue Figur, die selbst mit dem Protagonisten der Serie mithalten kann. Bekommt aber zu wenig zu tun, um wirklich in Erinnerung zu bleiben. Der dritte Akt grenzt so stark an Ideenlosigkeit, dass er vielmehr wie eine Parodie als wie der Abschluss einer der ikonischsten Reihe der Filmgeschichte wirkt. Auch wenn Harrison Ford in den letzten Filmminuten einen rührenden Abschluss beschert bekommt, der jedoch dank der modernen Blockbuster-Ideologie im luftleeren Raum schwebt, bis der nächste Teil der Reihe angekündigt wird.
Indiana Jones und das Rad des Schicksals hat bewiesen, was die Beteiligten hätten wissen sollen, wenn sie auf die Charaktere ihrer Filme gehört hätten. In der Archäologie ist es oft nicht anders, wie mit alten Marken und Filmreihen. Manche Dinge sind bedroht, wenn sie in falsche Hände kommen. Manche Dinge gehören einfach nur ins Museum und sollten in Ruhe gelassen werden.