Mit Dragon Age: The Veilguard bringt Bioware nach fast zehn Jahren die Fortsetzung von Inquisition auf den Markt.
Tim Rantzau: Tim ist nicht nur seit Kindheitstagen ein großer Nintendo-Fan, er hat auch Game Design studiert und kümmert sich beruflich um das Konzeptionieren von Videospielen. Sein Spezialgebiet ist aber der Spiele-Journalismus.
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In den vergangenen Jahren hat sich Bioware leider nicht mit Ruhm bekleckert. Die Titel Mass Effect Andromeda sowie Anthem kamen bei den meisten Spielern gar nicht gut an und stürzen den Entwickler in eine Art Abgrund. Aufgrund dessen ist der Release von Dragon Age: The Veilguard eine Möglichkeit für das Studio, seine Fehler der Vergangenheit zu beheben. Ob dies dem vierten Teil der Reihe gelingt und ob sich das Fantasy-Rollenspiel mit anderen Vertretern des Genres, wie beispielsweise Baldur’s Gate 3 messen kann, erfahrt ihr in unserem Test.
Die Hauptstory von Dragon Age: The Veilguard ist eher ein Mittel zum Zweck. Natürlich ist diese der Mittelpunkt des Games, hat aber bedauerlicherweise kaum Tiefgang. Zu Beginn des Spiels versucht Solas, bekannt aus Dragon Age: Inquisition, mithilfe eines Rituals den sogenannten Schleier zu zerstören. Dieser trennt die Welt der Dämonen vom Reich Thedas. Jedoch gibt es während dem besagtem Ritual Komplikationen und die Elfengötter Elgar’nan und Ghilan’nain können ausbrechen. Nun liegt es an uns, in teils epischen Bosskämpfen und anderen Szenen die Gefahr zu bannen. Ihr sehr, die Hauptgeschichte ist nichts Weltbewegendes.
Auch die Dialoge zwischen den Charakteren haben wenig Bemerkenwertes an sich. Oft sind diese sehr seicht und für die allgemeine Situation im Spiel eher unpassend. Darüber hinaus sind die Gespräche meistens knapp gehalten. Ein weiterer Minuspunkt ist der eigene Protagonist namens Rook. Selbstverständlich kann das Aussehen frei gestaltet werden. An der Persönlichkeit und dem Namen lässt sich nichts formen. Jedoch kann der Nutzer aus sechs Gruppierungen und den vier Klassen, Qunari, Elf, Zwerg sowie Mensch auswählen. Der Skilltree ist groß und mit drei Spezialisierungen versehen. Spieler dürfen zwischen Magier, Krieger sowie Schurke auswählen. Positiv hervorzuheben sind die handgezeichneten Zwischensequenzen, welche die bisherige Geschichte immer wieder zusammenfassen.
Das neueste Abenteuer von Bioware ist von vielen Kämpfen geprägt. Es erinnert dabei teilweise stark an Mass Effect. Wie in diesem Science-Fiction-Epos kann der Nutzer bis zu zwei Begleiter mitnehmen, die nur indirekt gesteuert werden. Man kann das Spielgeschehen jederzeit pausieren und ihnen Befehle erteilen. Meistens wählt der Spieler ein Ziel aus und bestimme eine Spezialattacke, um mächtige Kombo-Angriffe auszuführen. Man muss nicht überlegen, welche Angriffe zusammenpassen. Die Angriffe, die für eine Kombo bereit sind, leuchten auf – mit der Beschreibung Kombomöglichkeit. Wähle der Nutzer einen Angriff aus, leuchtet sofort der passende Angriff mit der Bezeichnung Kombo mit auf. Veilguard erreicht zwar nicht die taktische Tiefe des ersten Dragon Age, ist dafür aber sofort verständlich, auch für Neueinsteiger.
Dank der verschiedenen Synergien passen einige Begleiter besser zu anderen, doch über ihre Talentbäume kann ich ihre Ausrichtung bis zu einem gewissen Grad selbst bestimmen. Wie Rook können auch sie nur drei Fähigkeiten ausrüsten, wobei der Hauptcharakter zusätzlich einen ultimativen Angriff nutzen kann. Die Kämpfe sind zweifellos eines der Highlights. Sie sind heftiger, schneller und direkter als je zuvor in der Serie. Die Kämpfe sind weder zu schwer noch zu leicht. Um die Kameraden muss man sich keine Sorgen machen, denn sie können offenbar nicht verletzt werden. Auch hier steht die Zugänglichkeit im Vordergrund.
Das zentrale Element eines jeden Dragon-Age-Spiels sind die Gefährten. Hier ist Geduld gefragt, denn erst nach etwa 12 Stunden entwickeln sie Persönlichkeit und wachsen einem ans Herz. Bis dahin führen sie oft belanglose Gespräche oder verpassen potenziell witzige Momente. So stolpere ich in den Raum der liebenswerten, aber leicht verwirrten Schleierspringerin Bellara und überrasche sie im Gespräch mit einem Totenbeschwörer und einem maskierten Geisterwesen. Doch nach nur zwei Sätzen bin ich wieder draußen, ohne etwas gelernt oder einen dummen Spruch gemacht zu haben. Auch der Auftragskiller Lucanis Dellamorte wirkt anfangs wie eine leere Hülle.
Es ist nicht das erste Mal, dass man sich fragt, ob Bioware die Charaktere zu stark abgeschliffen hat. Dem Spiel fehlt der Biss, die Gefährten wirken eher wie weichgespülte Versionen ihrer selbst. Mit Ausnahme der Magierin Neve Gallus, deren englische Stimme leider etwas monoton klingt, entwickeln jedoch alle nach und nach interessante Facetten. Da ist beispielsweise der graue Wächter Davrin, der als Monsterjäger mit seinem adoptierten Greif unterwegs ist. Besonders liegt ihm das Wohlergehen der magischen Flugwesen am Herzen, während er nach seiner eigenen Bestimmung sucht.
Das Questlog in Dragon Age: The Veilguard füllt sich sehr schnell. Trotz der drohenden Apokalypse durch rachsüchtige Götter habe man die Möglichkeit, viele Nebenquests zu erledigen, statt sich nur auf die Hauptstory zu konzentrieren. Die Quests der Begleiter sind zumindest teilweise mit der Hauptstory verknüpft, sodass es sinnvoll ist, sich von ihnen ablenken zu lassen. Wie in den meisten Bioware-Games zählen sie zu den Highlights. Mit den sieben Gefährten kann der Spieler mehrteilige Quests angehen, die im Gegensatz zur Hauptstory fast immer spannend erzählt sind und einen motivieren, sie abzuschließen. Als Belohnung erhält der Nutzer einzigartige Ausrüstungsgegenstände. Gleichzeitig wächst die persönliche Bindung zu den Charakteren und zum Spiel.
Neben den Haupt- und Begleiterquests gibt es zahlreiche sogenannte regionale Quests. Mal muss man verschollene Späher finden, mal Dämonen besiegen und immer wieder die Welt von Seuchen befreien. Bei aktiven Quests zeigt eine Wegmarkierung den richtigen Pfad. Auch wenn der Spieler diese Funktion im Interface deaktivieren könnte, begrüßen viele die Zugänglichkeit, die sie bietet. Sie passt zu den vielen kleinen Aufgaben, die einem das Spiel stellt. Die Regionen sind weniger weitläufig als in Inquisition, dafür aber extrem dicht mit Aufgaben, Beute, Rätseln und Gegnern gefüllt, die nur darauf warten, verprügelt zu werden.
Dragon Age: The Veilguard beeindruckt visuell mit seinen ausdrucksstarken und ikonischen Designs. Besonders Bellara und Taash sind hervorragend gelungen. Aber auch die vielen Nebencharaktere sind wunderbar exzentrisch dargestellt. Das Monsterdesign ist ebenfalls beeindruckend, besonders die zombieartigen Darkspawn mit ihren feuerroten Augen und die gigantischen Drachen, die immer wieder für Gänsehaut sorgen.
Die Welt des Spiels ist noch beeindruckender. Die Rivain Coast bietet malerische Küsten mit türkisblauem Wasser und gestrandeten Schiffen. In den Katakomben von Nekropolis beeindrucken gigantische Statuen, die in grünem Licht schimmern. Und die fleischig pulsierenden Blight-Wucherungen in den Sümpfen sind gleichzeitig faszinierend und eklig. Dazu passt der orchestrale Soundtrack, der manchmal überraschend passende Elektrobeats liefert, die stark an Titel wie Mass Effect erinnern. Technisch gibt es nichts auszusetzen.
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Dragon Age: The Veilguard bleibt den Rollenspielwurzeln der Serie treu und besticht wie seine Vorgänger durch exzellentes Storytelling. Die Kämpfe verbinden situative Steuerung – Angriff, Parade und Ausweichmanöver – mit taktischen Entscheidungen, wodurch sowohl Rollenspielfans als auch Liebhaber actionreicher Kämpfe auf ihre Kosten kommen. Die Charaktere und ihre Hintergrundgeschichten sind mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet. Die wichtigen Entscheidungen, die den Spielverlauf maßgeblich beeinflussen können, tragen zu einem hohen Wiederspielwert bei. Wer sich nur auf die Hauptstory konzentriert, wird 30 bis 40 Stunden beschäftigt sein. Das Erledigen aller Nebenmissionen und Gefährtenquests bietet noch weit darüber hinaus gehende Unterhaltung.
Test-Hardware: Intel Core i7-13700KF, NVIDIA Geforce RTX 4080, 32 GB DDR5