Assassin's Creed Mirage kehrt zu den Wurzeln der Reihe zurück. Ob das eine gute Entscheidung ist zeigt sich im Test.
Tim Rantzau: Tim ist nicht nur seit Kindheitstagen ein großer Nintendo-Fan, er hat auch Game Design studiert und kümmert sich beruflich um das Konzeptionieren von Videospielen. Sein Spezialgebiet ist aber der Spiele-Journalismus.
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Seit dem 05. Oktober ist der neueste Teil der Assassin’s-Creed-Reihe im Handel. Mirage macht einiges anders als AC Valhalla und verzichtet auf eine riesige Spielwelt und unzählige Rollenspiel-Elemente. Es handelt sich bei dem Titel um ein kleines aber feines Action-Adventure, dass laut Entwickler Ubisoft das Spielgefühl der ersten Teile zurückbringt. Aufgrund dessen liegt der Fokus von Mirage wieder auf Schleichen, Klettern und dem Ausführen von Attentaten. Umwoben, wird das Ganze von einer durchaus fesselnden Geschichte in klassischer Assassinen-Manier. Im Test zeigte sich, dass dies in jedem Fall eine richtige Design-Entscheidung war.
Assassin’s Creed Mirage erzählt die Hintergrundgeschichte von Basim, einem Charakter, den einige Nutzer bereits aus dem Vorgänger Valhalla kennen und der ein Mitglied der Verborgenen (später bekannt als die Assassinen) ist. Historischer Schauplatz ist das altertümliche Bagdad des 9. Jahrhunderts, welches in dieser Epoche seine Blütezeit erlebte. Die Stadt wirkt mit ihren massiven Mauern, Toren und den blauen Kuppeln der Paläste sowie Moscheen, wie aus Tausend und einer Nacht. In diesem Szenario wird den Spielern aufgezeigt, wie der in seinen Träumen von einem Dschinn verfolgte Taschendieb Basim sich der Assassinen-Bruderschaft anschließt. Als Gegenspieler agiert dabei der Orden der Ältesten, welcher im Verborgenen die Geschehnisse innerhalb des Kalifats lenkt.
Dabei fühlt sich das geschnürte Gesamtpaket hinsichtlich der Atmosphäre sehr stark wie die Anfänge der Reihe. Leider fehlen die legendären Gegenwarts-Abschnitte und die Geschichte rund um Abstergo vollständig. Basim erinnert mit seinem aufbrausenden Temperament immer wieder an Altair. Jedoch will der klassische AC-Funke nicht vollständig überspringen. Im mittleren Teil wirkt die Story etwas aufgesetzt und kann durchaus für Verwirrung sorgen. Insgesamt kommt die sehr linear wirkende rund 20-stündige Haupt-Geschichte nicht annähernd an die ersten Spiele heran.
Zu den Highlights von Assassin’s Creed Mirage zählt wohl in erster Linie das abwechslungsreiche Stealth-Gameplay. Verschiedene Fähigkeiten, Hilfsmittel, wie Wurfmesser oder Rauchbomben, und die Umgebung erleichtern das unentdeckte Vorgehen bei den einzelnen Missionen und sorgen für den nötigen Spielspaß. Dabei wird Basim von seinem Adler Enkidu aus der Luft unterstützt. Eben jener tierischer Begleiter kann Gegner markieren und den Standort von versteckten Truhen aufdecken. Seine Fähigkeiten können im Verlauf des Spiels noch erweitert werden.
Die Gegner können wie üblich durch Pfeifen angelockt, mit der versteckten Klinge ausgeschaltet und anschließend in beispielsweise Heuhaufen oder angrenzenden Schränken abgelegt werden. Auch die Umgebung kann für Attentate zur Hilfe genommen werden. So kann unter anderem ein hölzernes Baugerüst zum Einsturz gebracht oder explosive Öl-Krüge in die Luft gejagt werden. Auch eingesperrte Wildtiere können als Komplizen agieren.
Die bereits angesprochenen Hilfsmittel können dank Upgrades an verschiedene Vorgehensweisen angepasst werden. Bei den Wurfmessern kann beispielsweise die Reichweite erhöht oder der verursachte Schaden verbessert werden. Sämtliche Boni kann der Spieler wieder zurücksetzen. Als besonders hilfreich erwiesen sich im Test die sogenannten Berserker-Blaspfeile. Mit diesen wird es möglich, Gegner gegeneinander auszuspielen.
Zusätzlich verfügt Assassin’s Creed Mirage über einen kleinen Fertigkeitenbaum. Dieser gliedert sich in die Kategorien Schatten, Trickser und Jäger (bezieht sich auf Enkidu). Zu freischaltbaren Fähigkeiten gehört beispielsweise „Sturz abfangen“ oder die Erhöhung der Attentäter-Konzentration. Die entsprechenden Punkte lassen sich im Laufe der Story sammeln.
Als eine der größten Schwächen des Spiels erweisen sich die Gegner selbst. Hat man einmal den Dreh raus, meuchelt der Spieler sich wie am Fließband durch die Wachen. Dabei kann die übermächtige Attentäter-Konzentration eine weitere nützliche Hilfe sein. Mit ihr können automatisch und in begrenzter Form sogenannte Multi-Attentate ausgeführt werden. In den meisten Fällen verhält sich die KI recht dumm. Um entdeckt zu werden, muss man schon direkt neben dem entsprechenden Gegner stehen.
Unlogischer Weise können auch schwer gepanzerte Soldaten mit der versteckten Klinge ausgeschaltet werden. Einzelnen Standard-Wachen kann im Kampf auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad recht einfach ausgewichen und mit dem Dolch erheblichen Schaden zugefügt werden. Auch das Wurfmesser ist im Gefecht eine nützliche Hilfe und kann beispielsweise stärkere Gegner zu Fall bringen.
Assassin’s Creed Mirage bietet dem Spieler in den Einstellungen neben einigen eher rudimentären Barrierefreiheits-Optionen auch drei verschiedene Schwierigkeitsgrade: „Einfach“, „Normal“ und „Schwer“. Diese wirken sich auf Gegner-Attribute, wie die Entdeckunsgeschwindigkeit, Schaden, Abwehr oder Suchzeit. Darüber hinaus wird die Schwierigkeit von Taschendiebstählen verändert. Etwas wie einen New-Game-Plus-Modus ist von Ubisoft leider nicht vorgesehen.
Während den Kämpfen ist es wichtig, stets auf die Ausdaueranzeige von Basim zu achten. Jeder Hieb mit dem Dolch, Sprint oder Ausweichmanöver verringert diese Stück für Stück. Insgesamt hält der Spielcharakter nicht vielen Treffern stand. Kommt man in eine Situation, in der man vielen Soldaten gegenüber steht, empfiehlt sich also eine temporäre Flucht.
In Mirage existiert ein dreistufiges Fahndungssystem, bekannt aus den ersten Teilen der Reihe. Je stärker nach Basim gefahndet wird, umso mehr Gegner nehmen die Verfolgung auf und Zivilisten verraten seinen Standort. Letzteres funktioniert mehr oder weniger gut. Um die eigene Bekanntheit wieder zu reduzieren, bietet sich an, entweder einen nahegelegenen Steckbrief zu entfernen oder einen Marktschreier zu bestechen. Hierfür benötigt der Spieler jedoch spezielle Machtmünzen, die im Spiel recht selten zu bekommen sind.
Das für die Assassin’s-Creed-Reihe so bekannte Parkour-System hat sich im Vergleich zu den Vorgängern nur marginal verändert. Zwar macht es Spaß, sich über den Dächern von Bagdad frei zu bewegen und neue Elemente wie beispielsweise den Stabsprung zu nutzen, dennoch hat Ubisoft in diesem Zusammenhang etwas schlampig gearbeitet. Insgesamt ist die Steuerung von Mirage alles andere als präzise, was vor allem bei den Klettereinlagen spürbar wird.
Oft kommt es vor, dass Basim ungewollte Kletterkanten und Objekte ansteuert oder ungebremst in den Abgrund fällt. Auch das automatische Klettern per Knopfdruck funktioniert nur sehr ungenau. Darüber hinaus ist nicht immer klar ersichtlich, an welchen Stellen es genau möglich ist, an einer Wand oder einem Aussichtsturm nach oben zu kraxeln.
Auch in Mirage gibt es wieder die besonderen Black Box Missionen, welche erstmals mit AC Unity in das Game kamen. In diesen speziellen Attentats-Aufträgen stehen dem Spieler optimale Vorgehensweisen zur Verfügung. So können beispielsweise neue Eingänge oder Verbündete, wie Gefangene oder Söldner entdeckt werden. Dabei entscheidet man selbst, wie man diese Missionen erfolgreich zu Ende bringt.
Jedoch klingen die Black Box Missionen innovativer als sie letzten Endes sind. Die verschiedenen Entscheidungen fallen im Vergleich sehr trivial aus. Ausgefallene Verkleidungen, ähnlich wie in der Hitman-Reihe sind eine absolute Seltenheit. Eine unterhaltsame Stealth-Experience sieht definitiv anders aus.
Entwickler Ubisoft hat in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, wie man immersive Spielwelten erfolgreich umsetzt. Dabei gelingt es dem Unternehmen unterschiedliche Epochen und Kulturkreis authentisch umzusetzen. Auch in Mirage mit dem altertümlichen Bagdad und der umgebenden Wüsten- und Oasen-Landschaft ist das nicht anders. Die Karte ist mit den unterschiedlichen Distrikten und Sehenswürdigkeiten detailliert gestaltet.
Kleines Manko sind jedoch die fehlenden Grabstätten aus AC Orgins sowie die monotonen Gespräche der Zivilbevölkerung. Auch diesmal ist wie für Ubisoft-Spiele üblich jeder Winkel der Karte mit verschiedenen Aktivitäten vollgestopft. Dazu gehört das Sammeln von Schätzen, lösen von teilweise recht kniffligen Rätseln und öffnen von Truhen. Auch die Fraktionaufträge, für welche Belohnungen winken, fügen sich gut in das Gesamtkonzept ein.
Zudem ermöglicht die Nachforschungs-Mechanik dem Spieler, das nächste Ziel auf eine spannende und interaktive Weise zu entdecken, anstatt einfach nur eine Liste von Aufgaben abzuarbeiten. Dadurch entsteht ein angenehmer Spielfluss, der einen immer weiter antreibt und motiviert.
Das Spiel ist wahrlich eine Rückkehr zu den Wurzeln der gesamten Serie. Eine deutlich verkleinerte Spielwelt, kein Ausschlachten der Ubisoft-Formeln sowie die Reduzierung von RPG-Mechaniken sowie der Fokus auf Stealth sorgen für ein schönes Spielerlebnis. Auch Bagdad als neuer Schauplatz, in der Parkour wieder an Bedeutung gewinnt, ist atmosphärisch gelungen umgesetzt.
Getrübt wird das ganze jedoch von einer fehlerhaften und nicht sonderlich intelligenten Gegner-KI, einer hackeligen Steuerung und Figuren mit ausdrucksloser Mimik und Gestik. Auch die Spielzeit hätte beim Verkaufspreis deutlich länger als 20 Stunden ausfallen können. Mirage kann somit leider nicht mit der Qualität von Assassin’s Creed 2 oder Black Flag mithalten.
Assassin’s Creed Mirage von Ubisoft bekommst du ab einem Preis von 42 Euro (ohne Versand) für deine PS5.
Test-Hardware: Intel Core i7 10700K, 8x 3.80GHz; ASUS TUF GAMING Z490-PLUS, S. 1200 Motherboard, NVIDIA GeForce RTX 3080 10GB; 64GB Ballistix RAM DDR4-3600; Gespeichert auf NVMe M.2.