Die koreanische Serie zeigt eine Mischung aus Gameshow und den Saw-Filmen. Zur Zeit ist die Serie in aller Munde aber wie gut ist sie wirklich?
Sinan Huemer: Ich bin der Beweis, dass man durch zu viel Fernsehen und Videospiele nicht brutal wird. Man wird nervig. Fragt jeden der mir zuhören muss.
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Zur Zeit in vielen Berichten, in aller Munde und natürlich auch den Serien-Charts ist die neue Netflix Serie Squid Game. Die koreanische Serie ist eine interessante Mischung aus Horror oder besser gesagt Thriller, Krimi und kunstvollem Film. Aber was kann man in der Serie erwarten und ist sie wirklich so gut wie von allen Seiten aktuell berichtet wird? Ich war neugierig und habe die Serie in einem Sitz „durchgebinged“.
Squid Game baut auf der Tatsache auf, dass in Südkorea eine sehr breite Armutsschicht herrscht. Diese sind teilweise nicht nur am Rande des existenziellen Minimums, sondern auch hoch verschuldet. Sei dies wie bei dem Hauptprotagonisten durch Wetten und massive Spielsucht, oder durch spekulative Finanzgeschäfte. Teilweise sind diese Schulden im Millionen Euro Bereich und entsprechend groß die Verzweiflung.
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Genau diese Menschen werden aufgesucht von Rekrutierungsagenten. Die kommen mit einem Koffer voller Geld und einem simplen koranischen Kinderspiel. Ein bisschen spielen, leiden, verlieren und am Ende doch gewinnen. Leicht verdientes Geld, so scheint es. Diese Agenten lassen eine Visitenkarte zurück und das Versprechen, dass noch viel mehr Geld für solche einfachen Spiele wartet.
Ein Auto kommt die Teilnehmer abholen und kaum eingestiegen, werden diese von einem Gas ausgeknockt. Aufgewacht wird später in einer großen Halle voller Etagenbetten und insgesamt 456 Teilnehmern, welche das selbe Angebot akzeptiert haben. Keine Informationen, außer dem Personal in den pinken Uniformen Folge zu leisten zum ersten Spiel. Eine letzte Chance auszusteigen, aber es scheinen allesamt mitmachen zu wollen.
So werden die Teilnehmer zur ersten Runde geführt. Wobei hier noch nicht das eigentliche Squid Game gespielt wird, sondern „rotes Licht grünes Licht“, die koreanische Version von „Der Hase läuft über das Feld“. Wo sich die Teilnehmer zunächst freuen, wie einfach es zu sein scheint dieses Event zu bestehen, sollen sie schon beim ersten Fehler die erschreckende Wahrheit präsentiert zu bekommen. Wenn man hier ausscheidet, dann immer durch den Tod.
Was für mich in Squid Game besonders hervorsticht, ist das künstlerische Spiel mit Farben. Innerhalb des Horror-Szenarios dieser tödlichen Spiele, sind die Farben immer sehr grell, bunt und kindlich gewählt. Es soll eine Art Unschuld vermittelt werden. Denn, wie auch von den Spielleitern proklamiert, geht es hier fair und gerecht zu. Jeder Teilnehmer ist freiwillig da und hat die gleichen Chancen, wie die anderen 456 Teilnehmer – die zunehmend dezimiert werden. Die Farben in allen Räumen sollen diese kindliche Unschuld unterstreichen.
Und während Splatter (wie die SAW Filmreihe) darauf setzen, möglichst gewaltsame Details der Tode zu zeigen, hält man es hier schlicht und konsequent. Der Tod ist hier wirklich nur eine einfache Rand-Konsequenz des Spiels. Nur selten lassen sich die Macher der Serie verleiten Zeitlupen oder zu detaillierte Sterbeszenen zu zeigen. Die Emotion soll hier wirken und nicht das Bild.
Wir sind ja wirklich im deutschsprachigen Raum gesegnet mit der besten Synchronbranche der Welt. Das ist tatsächlich ein Fakt. Auch wenn in den letzten Jahren mehr und mehr das Gefühl aufkommt, als würden die selben 10 Sprecher:innen für absolut jeden Film und jede Serie eingesetzt werden. Hier aber leidet die Synchronisation an einem kulturellen Unterschied. Oft passt die Mimik der Schauspieler nicht zu der gesprochenen Emotion.
Weil in Korea gesprochene Emotionen einfach anders Funktionieren. Aber dennoch war es mir etwas „Too Much“ die Serie auf koreanisch zu schauen. Den meisten wahrscheinlich auch, wenn man von den Bildern abgelenkt ist, und nur die Untertitel mitliest.
Die Musik in der Serie ist allerdings ein Punkt bei welchem ich noch immer nicht sicher bin, ob es genialer Einsatz von minimalistischen Tönen ist oder einfach nur absurd klingt. Abgesehen von dem frequentierten Einsatz des Donau Walzers, kommen ganz schiefe Flöten-Töne in den Szenen bevor es zu den Spielen geht. Diese Töne sind wie ein Markenzeichen und passen verdammt gut in das Setting von Squid Game, klingen jedoch wirklich seltsam.
Der größte Minuspunkt der Serie ist leider ihre Berechenbarkeit. Gewisse Punkte konnte ich wenige Sekunden bevor sie passiert sind vorhersagen und manche Wendungen sogar schon in der dritten Episode erahnen, die aber erst gegen Ende enthüllt wurden. In einer Szene konnte ich sogar die Antwort einer Figur vorhersagen, in dem Moment wo sie dann auch kam. Das ist leider keine gute Eigenschaft für eine Thriller-Serie wie Squid Game, die spannend sein will. Wenn man mit dem Genre vertraut ist, dann gibt es also keine allzu großen Wendungen.
Man bedient sich leider viel zu vieler Tropes und Klischees. Natürlich steckt hinter den Spielen eine überreiche Elite von Milliardären. Und diese Männer erfüllen ebenso jedes Klischee, dass man sich vorstellt. Wahrscheinlich hatte jemand beim Casting gerufen: „Wir brauchen 5 alte Männer. Und zwar einen Russen, einen Briten, einen Südstaaten-Amerikaner, einen Japaner und möglichst noch jemand der ein Klischee erfüllen kann!“
Ist Squid Game eine sehenswerte Serie? Ja, durchaus. Besonders wenn man auf solche Thriller-Action steht.
Diese Spiele auf Leben und Tod sind nämlich richtig cool gemacht. Es überrascht mich also nicht, dass die Serie aktuell so viele Zuschauer anzieht. Aber sie ist leider wirklich unfassbar berechenbar. Was ab einem gewissen Punkt etwas die Spannung mildert. Es gelingt ihnen trotzdem zu überraschen und sich mit den Spielen von Runde zu Runde zu steigern. Vermutlich ist es für Menschen die in Korea aufgewachsen sind noch viel spannender, da sie diese Kinderspiele selbst noch kennen. Aber insgesamt ist das mal wieder eine interessante Neuanschaffung von Netflix. Der Streaming-Dienst beweist, dass „altbackenes Fernsehen“ keine Chance mehr hat.