Simon: Spielt Videospiele, seit er sich als Knirps an Earthworm Jim unter Windows 95 auf Papas PC erfreuen durfte.
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Clinically Dead ist ein ambitioniertes Ein-Mann-Projekt, das sich um die letzten Momente einer sterbenden Person dreht. Gefangen im eigenen Unterbewusstsein, muss man sich allerlei Rätseln stellen, die einen von der Erlösung trennen.
Ihr liegt im Sterben. Alles was euch bleibt, sind 30 Sekunden. Genauergesagt seid ihr in diesen 30 Sekunden in eurem Unterbewusstsein gefangen. Einzig die innere Stimme bleibt als Anleitung, wie man diesem Gefängnis entkommen und seinen Frieden finden kann. Die Erzählung dieser Rahmenhandlung streckt sich gerade zu Beginn etwas und hätte durchaus versierter gelöst werden können. Das tut dem Spiel aber keinen Abbruch und Kontext zu haben, warum man das tut, was man tut, ist nicht verkehrt. Es ist sogar eine willkommene Abwechslung zu den vielen Versuchen mysteriös sein zu wollen, die man häufiger sieht.
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Die Rätselmechaniken sind interessant und fordernd. Im Kern gibt es das Zeitrad, mit dem ihr verschiedene Zeitpunkte des Raumes abrufen könnt. Ihr könnt das Rad dafür vorwärts oder rückwärts drehen. Die Zeit ist dabei an den jeweiligen Rätselraum gebunden. Zudem gibt es eine Art Hub, einen zentralen Raum, vom dem aus man die einzelnen Rätsel erreicht. Die Zeiträtsel funktionieren so, dass man einzelne Lichtelemente sammeln muss, mit denen man je einen Zeitpunkt auf dem Rad freischaltet. Je mehr Punkte man hat, desto mehr Zeitpunkte des Raumes kann man für sich nutzen. Hat man alle Zeitpunkte, ist das Rätsel absgeschlossen. Das gleiche gilt für das Hub. So werden die Rätsel dort auch erst nach und nach zugänglich. Der Abschluss eines Rätselraums bedeutet dabei je einen neuen Zeitpunkt im Hub.
Es gibt aber nicht nur Räume, in denen man die Zeit aktiv steuert. Es gibt auch solche, die durch farbige Trennung verschiedene Zeitzonen nebeneinander besitzen. Je nachdem, wie sich der Spieler entlang dieser Zonen bewegt, verändert sich der Raum. Damit beeinflusst man beispielsweise Plattformpositionen, Hindernisse bewegen sich aus dem Weg oder in diesen. Da wird gerade bei Plattformen sind. Das Spiel arbeitet auch viel mit Jump ’n’Run. Das aber auch nur so semigut. Man bekommt kein wirkliches Gefühl für die Sprungweite, mitunter da der Schatten sich nicht unter dem Spieler befindet. Ein simpler Kreisrunder Schatten, der die Position den Spielers am Boden eindeutig darstellt, wäre wünschenswert gewesen. Verzeihbar wird das, da die Sprünge nicht so knapp gesetzt sind, das es auf jeden Pixel ankommt. Auch wenn man kein wirkliches Gefühl für den Sprung hat, schafft man es in der Regel trotzdem.
Allgemein ist die Physik in Clinically Dead nicht so gepolished, wie sie sein könnte, was man sowohl bei der Charakterbewegung bemerkt, als auch bei Mechaniken, die teilweise etwas ruckhaft oder ruckelig reagieren. Die Rätsel sind allerdings scheinbar mit diesen Limits geplant worden, da sie grundsätzlich schaffbar sind und das verhältnismäßig frustarm, wenn man sie einmal verstanden hat.
Zusätzlich gibt es noch Gegner, wie sie schon das Titelbild präsentiert, die einem die Zeit entziehen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Fällt man ihnen in die Hände, muss man das Rätsel wiederholen. Zwar sind sie auf verschiedene, interessante und vor Allem vielseitige Arten ins Spiel eingebunden, ihre primäre Eigenschaft ist aber, dass sie den Spieler nur im Licht sehen.
Hier muss ich wohl die meiste Kritik an Clinically Dead anbringen. Der Versuch mit der psychedelischen Ästhetik war, was mein Interesse geweckt hat. Leider aber ist es die größte Schwäche des Spiels. Die Grafik ist überladen und anstrengend für die Augen. So sehr sogar, dass ich das Spiel nur in kurzen Sessions spielen konnte. Zumindest bis ich herausfand, dass es einen Regler für einen „antipsychedelischen“ Filter gibt. Der ist primär dafür gedacht, um Noise in Videos zu reduzieren, aber ohne diesen Filter kann ich das Spiel leider nicht spielen. Und selbst dann geht es immer noch auf die Augen. Zumal der Filter stark an der Sättigung schraubt, was wiederum die Differenzierung erschwert, insbesondere, da das Spiel mit Color Codes arbeitet. Und das ist schade. Das Spiel hat sich den perfekten Kontext für eine psychedelische Erfahrung geschaffen. Aber psychedelisch bedeutet mehr als einfach nur visuell überladen.
Der Sound beschränkt sich weitgehend auf ambiente Hintergrundmusik, die zur Atmosphäre passt. Die Soundeffekte als Indikatoren funktionieren einwandfrei. Eine gelungene Umsetzung des Zusammenspiels von Sound und Umwelt, aber auch nichts weltbewegendes.
Clinically Dead ist ein Rätselspiel, dessen Qualitäten an der Umsetzung leiden. Die Mechaniken sind interessant und fordern den Verstand des Spielers. Die Grafik hingegen bereitet Kopfschmerzen. Und auch wenn es psychedelisch sein sollte, hat der Entwickler es hier zu gut gemeint. Glücklicherweise gibt es die Option, die Effekte zurückzuschrauben. Das hüllt das Spiel aber leider in einen gräulichen Schleier, in dem alles ein wenig verschwimmt. Manchmal zicken die Mechaniken auch ein bisschen, worüber man stolpern kann, aber das hält sich im Rahmen. Selten habe ich ein Rätsel wegen eines solchen Ärgernisses wiederholen müssen.
Grade für ein Ein-Mann-Projekt halte ich das Spiel für eine interessante Erfahrung und bin von den Rätseln angetan. Aber in Zukunft bitte ohne den visuellen Overflow.