Irgendwas fehlt?!

One Piece (Netflix) – Serien Kritik

Es ist irgendwie gut und doch fehlt etwas.

Das Wichtigste in Kürze

  • So viele 1 zu 1 Momente
  • Die Synchronsprecher sind unglaublich wichtig
  • Vielleicht sind Animes nicht für Real-Versionen geeignet?

Wenn geliebte, langjährige Geschichten in ein neues Medium übersetzt werden, geraten sie oft zwischen die heißblütigen langjährigen Fans (die sich über jede Änderung ärgern werden, die gemacht wurde, um den Film oder die Serie oder das Buch für Neulinge zugänglicher zu machen) und die neugierig interessierten Neulinge (die möglicherweise von dem Material verwirrt sind, unabhängig von den Änderungen für ein breiteres Publikum). Ich selbst bin zwar ein alter One Piece Fan, jedoch bei weitem nicht so tief eingelesen wie die Hardcore Fans.

Aber die neue Live-Action-Version von One Piece, einer seit Jahrzehnten laufenden japanischen Comicserie, die bereits in eine beliebte Anime-Serie und viele animierte Filme umgewandelt wurde, könnte tatsächlich gut für diese beiden Zielgruppen funktionieren. Hardcore-Fans früherer Inkarnationen könnten einfach fasziniert sein, solch exzentrisches Material endlich und unwahrscheinlich in Fleisch und Blut übersetzt zu sehen, während Netflix-Surfer, die von einer seltsamen, piratenzentrierten, superkräfte-aufgepeppten Abenteuer-Fantasy-Serie fasziniert sind, sich an dem schieren Neuigkeitsfaktor erfreuen könnten. Es ist jedoch die casual Mittelschicht, die möglicherweise mit einem verwirrten Ausdruck auf den Bildschirm starrt wie ich.

One Piece. (L to R) Iñaki Godoy as Monkey D. Luffy, Emily Rudd as Nami in season 1 of One Piece. Cr. Courtesy of Netflix © 2023

One Piece. (L to R) Iñaki Godoy as Monkey D. Luffy, Emily Rudd as Nami in season 1 of One Piece. Cr. Courtesy of Netflix © 2023

One Piece: Der erste Eindruck

Wenn man sich (zumindest kann ich das für mich so sagen) an die Anime Serie erinnert und daran wie oft man gerade die ersten Abenteuer im East Blue gesehen hat. Findet man sich sehr schnell wieder in einer wundervollen Nostalgie. Denn die Serie legt großen Wert darauf, gerade die ikonischsten Momente wirklich auf den Fernseher zu bringen. Sei dies nun der im Hof der Marine-Basis angebundene Lorenor Zorro oder dieser Augenblick als Shanks Ruffy seinen Hut aufsetzt. Diese Augenblicke sind 1 zu 1 umgesetzt worden und lassen das Fan-Herz definitiv höher schlagen.

Allerdings ist es noch immer (ja auch nach Abschluss der Staffel) schwierig diese neuen Gesichter den geliebten Charakteren zuzuordnen. Wenn man jahre- und jahrzehntelang einfach eine gewisse Optik gewohnt ist, dann ist diese Umstellung ein wahrer Arbeitsprozess für den Verstand. Ein Prozess der beim zusehen etwas erleichtert wird, wenn man die Serie auf Deutsch sieht. Denn man war wohl sehr bemüht alle bereits etablierten und bekannten Synchronstimmen wieder zu besetzen. Das macht es defintiv leichter sich umzugewohnen. Allerdings hat die Serie etwas, dass ich nicht ganz greifen kann.

Irgendwas stimmt an One Piece für mich nicht. Und ich glaube es ist das Story Telling. Da in der Real-Version der Anime nun mal bei weitem nicht so erzählt werden kann wie in der Anime. Sequenzen und Szenen wurden dafür natürlich angepasst. Gewisse Charaktere gestrichen oder marginal umgeschrieben. Es wirkt nicht. Oder besser gesagt, die Serie wirkt bei weitem nicht so stark wie die Anime. Welche mich ergreifen und in Spannung fesseln konnte. Selbst beim zehnten durchlauf.

One Piece. (L to R) Colton Osorio as Young Luffy, Peter Gadiot as Shanks in season 1 of One Piece. Cr. Courtesy of Netflix © 2023

Die berühmte Hut-Szene. One Piece. (L to R) Colton Osorio as Young Luffy, Peter Gadiot as Shanks in season 1 of One Piece. Cr. Courtesy of Netflix © 2023

One Piece: Was versucht die Serie zu sein?

In ihren groben Zügen enthält One Piece mehrere Elemente, die in den Pirates of the Caribbean-Filmen zu sehen sind. Es geht um eine Gruppe sympathischer Gesetzloser, die nach dem namensgebenden Einzel-Schatz suchen, der demjenigen den Titel König der Piraten verleiht, der ihn findet, während sie von rivalisierenden Piraten und aufdringlichen, aber vage korrupten Marineoffizieren verfolgt werden. Wobei man Garp wohl eher unterstellen kann seinen trotzigen Enkel aufhalten zu wollen.

Aber Monkey D Ruffy (Iñaki Godoy) ist vielleicht eher bereit, sich Dora the Explorer anzuschließen, als Jack Sparrow zu werden; er ist ein fröhlicher, weitäugiger, situationselastischer (ba-dum tss) junger Träumer, der Piratenkapitän und König werden möchte, ohne tatsächlich etwas zu stehlen oder jemanden zu terrorisieren. Bald darauf wird er, wenn auch widerwillig, von dem piratenjagenden Schwertkämpfer Lorenor Zorro (Mackenyu) und der schlauen Diebin Nami (Emily Rudd) begleitet, deren Hintergrundgeschichten im Verlauf der achtteiligen Staffel enthüllt werden.

One Piece. (L to R) Taz Skylar as Sanji, Mackenyu Arata as Roronoa Zoro, Iñaki Godoy as Monkey D. Luffy, Emily Rudd as Nami, Jacob Romero Gibson as Usopp in season 1 of One Piece. Cr. Courtesy of Netflix © 2023

One Piece. (L to R) Taz Skylar as Sanji, Mackenyu Arata as Roronoa Zoro, Iñaki Godoy as Monkey D. Luffy, Emily Rudd as Nami, Jacob Romero Gibson as Usopp in season 1 of One Piece. Cr. Courtesy of Netflix © 2023

In anderen One Piece-Produktionen, wie dem kürzlich erschienenen Film One Piece Film: Red, wird Monkey D Ruffy mit so viel schriller Energie animiert, dass seine Dehnungskräfte seinen komischen Charme nur noch verstärken. Hier werden diese Kräfte mit zweifelhaft aussehender CGI animiert, und bei der Darstellung von Ruffys menschlicheren Eigenschaften setzt Godoy so stark auf seine Jugendlichkeit und Ausstrahlung, dass sein Standardgrinsen mit der Zeit monoton wird.

Godoys Darbietung ist Teil einer größeren Unstimmigkeit: Einige der Schauspieler verkörpern begeistert lebendige Cartoons, während andere in einem leicht spöttischen Stil arbeiten. Mackenyu und Rudd zum Beispiel übertragen das potenzielle Extravagante auf ihre knallbunten Frisuren und spielen gegen Godoys unerschöpflichen Enthusiasmus. In der Zwischenzeit versinken mehrere Nebenfiguren wie in einem Hintergrund Nebel aus Bedeutungslosigkeit. Hatten aber in der Anime klar mehr Wirkung. Das beste Beispiel ist gleich zu Beginn Captain Morgan von der Marine Basis.

One Piece. Season 1 of One Piece. Cr. Courtesy of Netflix © 2023

Eine Teleschnecke in One Piece. Season 1 of One Piece. Cr. Courtesy of Netflix © 2023

So viel liebe für Details und doch irgendwie noch nicht ganz da

Es ist schwer, jemandem die Überinterpretation oder das Zurückhalten vorzuwerfen, wenn der Stil der Show irgendwie versucht einen kuriosen Comedy Stil darzustellen und gelegentliche Fischaugenlinsen und unermüdliche Handkamera-Nahaufnahmen verwendet. Obwohl die Show auffallend die visionären Höhepunkte vermissen lässt, ist ihre Aufdringlichkeit angenehm anders als vieles andere im Fernsehen. Stellenweise wird die Geschichte nur etwas zu schnell erzählt für den Geschmack eines Anime Fans, welcher es gewohnt ist dass eine Attacke zwei Episoden Lang aufgebaut wird.

Und genauso wie die Darstellungsstile der Schauspieler manchmal aufeinanderprallen, konkurriert die Gesamtvorstellung von One Piece mit dem Budget dieser bestimmten Umsetzung, das zwar üppig zu sein scheint, vielleicht aber immer noch nicht ganz ausreicht. Einige Settings (wie zum Beispiel die Marinebasis oder das Baratie) und Details (Radios und Lautsprecher existieren nur, wenn sie überdimensionale Schnecken gefüttert werden, die genialer Weise durch Puppenspiel dargestellt werden) machen besser Gebrauch von dieser Mischqualität als andere (wie einige wenig überzeugende und unspannende Hochseeschlachten).

One Piece. Mackenyu Arata as Roronoa Zoro in season 1 of One Piece. Cr. Courtesy of Netflix © 2023

Im Kampf ist Machenyu weit mehr Zorro als in den Dialogen. One Piece. Mackenyu Arata as Roronoa Zoro in season 1 of One Piece. Cr. Courtesy of Netflix © 2023

One Piece: Die Geschichte nimmt ihren Lauf

Im Laufe der Staffel wächst Ruffys Gefolge schließlich um den ebenso aufgeregten Lysopp (Jacob Romero Gibson), einen Scharfschützen und Fabulisten mit Piratenabstammung; und Sanji (Taz Skylar), einen ehrgeizigen Koch/Martial-Artist, dessen Herkunft ein spätes Highlight der Staffel ist. Und mich schon in der Anime so eiskalt emotional erwischt hatte.

Im zeitgemäßen Streaming-Stil konzentrieren sich lange Abschnitte der ersten Staffel auf Aufbau, der früher vielleicht einer doppelt so langen Pilotfolge vorbehalten gewesen wäre. Mit so viel Hintergrundgeschichte und Vorbereitung bleibt nur begrenzt Zeit für episodisches Abenteuern – schade, denn das frische Ensemble der Show und ihre allgemeine Seltsamkeit würden gut zu einem Quest-der-Woche-Format passen.

Aber hier spricht aus mir etwas der Anime Fan, welcher es gewohnt ist dass zum Beispiel Son Goku 2 Episoden lang ein Kame Hame Ha auflädt. Diese Erzählweise ist aber vermutlich absolut nicht Mainstream geeignet, was die One Piece Serie zumindest versucht in gewissem Maß zu sein. Wohlwissend dass es eine Anime ist aber eben mit dem Versuch auch nicht Anime Fans abzuholen.

One Piece. Jeff Ward as Buggy The Clown in season 1 of One Piece. Cr. Courtesy of Netflix © 2023

One Piece. Jeff Ward as Buggy The Clown in season 1 of One Piece. Cr. Courtesy of Netflix © 2023

Fazit zu One Piece

Wenn One Piece versucht, seine verschiedenen Elemente zu einem größeren übergreifenden Thema zusammenzuführen, versucht es, die Unwilligkeit einer älteren Generation anzusprechen, ihre Macht an jüngere abzugeben; wenn es mit kinderliteraturartigen Geschichten über die Bedeutung des Verfolgens von Träumen vermengt wird, wirkt das jedoch alles ziemlich oberflächlich. Vielleicht liegt es am Pech bei der Auswahl der Bösewichte; wobei Buggy der Clown großartig dargeboten wurde aber in der Serie bei weitem nicht so eine Plage zu sein scheint wie einst in der Anime.

An dieser Stelle könnte es aber auch sein, dass ich diesen Kampf einfach viel intensiver in meiner Erinnerung abgespeichert habe als er dann tatsächlich war. Aber ich habe keinen Zweifel daran, dass Captain Black von den Black Cat Piraten in der Serie um ein vielfaches Furchteinflößender war als in der real Serie. Und den Strohhut Piraten weit mehr abverlang hat.

Doch selbst angesichts solcher übersetzungsbedingter Flüge der Fantasie bleibt etwas Seltsames an One Pieces konzeptioneller Verspieltheit und ihrem Optimismus, selbst wenn es manchmal etwas “Halbgar” aussieht. Es als wirklich gut zu bezeichnen, wäre eine Dehnung würdig von Monkey D Ruffys gummiartigen Gliedmaßen. Es als langweilig zu bezeichnen, wäre jedoch schlichtweg unehrlich. Es ist Netflix und es ist One Piece.

ReviewWertung

7SCORE

Es ist One Piece, keine Frage. Aber irgendwie nicht ganz. Es ist als würde die Serie einfach alle nostalgischen Knöpfe drücken und dazwischen so knapp am Ziel vorbei schrammen.

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