Warum Ubisoft seinen Schattenkrieger Sam Fisher dringend aus der Versenkung holen sollte.
Adnan Siddiqi: Gründungsmitglied von DailyGame, Comics- und Movie-Nerd, Retro-Liebhaber, Gitarrenspieler und Sammler von Mega Drive Games.
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Mit der neuen Serie „Lost Heroes“ wollen wir den Videospiele-Helden gedenken, die unsere Leidenschaft geformt und auf dem Weg leider verlorengingen. Mit dieser Artikelserie lassen wir sie wieder „aufleben“ lassen. Here we go, mit Sam Fisher aus der Splinter Cell-Reihe.
Anfang der 2000er dominierte Solid Snake von Konami´s Sony Playstation-Exklusivtitel Metal Gear Solid das Stealth-Genre. Microsoft brauchte dringend einen eigenen Helden für seine Xbox – und Ubisoft antwortete perfekt mit Sam Fisher. Kein philosophierender Actionheld, sondern ein stiller Profi, dessen Markenzeichen Schatten, Präzision und realistische Spionage waren.
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Während Snake im Rampenlicht stand, wurde Sam Fisher zum König der Dunkelheit – reduziert, minimalistisch und genial effektiv. Während Metal Gear Solid auf filmische Inszenierung setzte, bot Splinter Cell realistische Spannung und einen intensiven Fokus auf das Wesentliche. Dabei würde man annehmen, dass Ubisoft mit Sam Fisher noch eines draufpacken würde. Doch sie wählten einen unerwarteten Weg, der zu unerwartetem Erfolg führen sollte.
Erinnert ihr euch an das Gefühl, das erste Mal mit Sam Fisher durch die Dunkelheit zu schleichen? 2002 wurde Splinter Cell veröffentlicht, und der Mann mit der ikonischen grünen Nachtsichtbrille war sofort legendär. Keine dramatischen Feuergefechte, sondern Spannung pur: Licht und Schatten waren nicht nur Stilmittel, sondern Gameplay-Essenz. Sams ikonischer Dreifachblick mit seinem markanten Aktivierungston (yep, jetzt werdet ihr es den gesamten Tag im Ohr haben!) wurde zum Symbol für Spannung und Nervenkitzel. Splinter Cell setzte grafische Maßstäbe, insbesondere mit seiner Licht- und Schattentechnik, die erstmals wirklich relevant fürs Gameplay wurde.
Sam Fisher war ein Ex-Navy SEAL, Third-Echelon-Agent und der ruhige Anti-Held schlechthin – charismatisch durch Minimalismus, cool durch Schweigen. Michael Ironsides kratzige Stimme verlieh ihm jene Authentizität, die ihn zur Ikone machte. Fisher war glaubwürdig, fokussiert, gnadenlos effizient – und gerade deshalb so besonders. Seine realistische Darstellung eines Spions war eine willkommene Abwechslung in einer Welt, die von überdrehten Actionhelden dominiert wurde.
Die ersten Spiele der Reihe waren pure Stealth-Erfahrungen. Sam Fisher war der Inbegriff des lautlosen Agenten. Er nutzte seine Umgebung und mied Lichtquellen, um unerkannt zu bleiben. Pures Stealth-Verhalten war Pflicht! Das kleinste Fehlverhalten führte zur sofortigen Erkennung und dem damit verbundenen Scheitern der Mission. Viele Spieler scheiterten schon an dem realistischen Schwierigkeitsgrad.
In Splinter Cell (2002) und besonders in Chaos Theory (2005) waren Geduld, Präzision und strategische Planung entscheidend. Der Einsatz von Gadgets wie Haftkameras, OCP und Betäubungspistolen vertiefte das Stealth-Erlebnis enorm. Chaos Theory gilt bis heute als eines der besten Stealth-Spiele aller Zeiten.
Mit Double Agent (2006) begann Ubisoft, Sams Charakter mehr Tiefe zu verleihen. Nach dem scheinbaren Tod seiner Tochter Sarah stand Fisher moralisch zwischen den Fronten. Spieler mussten entscheiden, wem sie loyal bleiben wollten. Die Handlung wurde emotionaler, komplexer und anspruchsvoller, mit unterschiedlichen Enden je nach getroffenen Entscheidungen. Wie verrückt war das Ende?!
Das nächste Spiel, Conviction (2010), stellte Sams Welt komplett auf den Kopf. Ohne seine ikonische Nachtsichtbrille wurde Fisher brutaler, persönlicher und actionorientierter. „Mark and Execute“ erlaubte schnelle, dramatische Kämpfe, während Missionsziele stilvoll in die Umgebung projiziert wurden. Zudem kehrte seine Tochter Sarah zurück, was die persönliche Tragik in der Geschichte noch verstärkte. Conviction wurde zum kontroversesten, aber auch spannendsten Teil der Reihe. Der visuelle Stilwechsel hin zu einer dynamischen Actioninszenierung war ein deutlicher Bruch mit den vorherigen Titeln.
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Mit Blacklist (2013) versuchte Ubisoft, zu den Stealth-Wurzeln zurückzukehren, aber gleichzeitig das actionlastige Gameplay beizubehalten. Die fehlende Originalstimme von Michael Ironside sorgte jedoch dafür, dass Sam Fisher für viele Fans nicht mehr derselbe war. Technisch überzeugte das Spiel, aber emotional fehlte etwas – Sam wirkte fremd, fast austauschbar.
Ursprünglich wurde Splinter Cell exklusiv für die Xbox veröffentlicht, um Microsofts neue Konsole zu stärken. Aufgrund des großen Erfolges erschien das Spiel jedoch schon bald für andere Plattformen wie PC, PlayStation 2 und Nintendo GameCube.
Dieser Multiplattform-Trend setzte sich fort: Chaos Theory und Double Agent erschienen ebenfalls für mehrere Systeme. 2011 wurde sogar eine spezielle Version namens Splinter Cell 3D für den Nintendo 3DS entwickelt. Blacklist (2013) kam schließlich für Xbox 360, PlayStation 3, Wii U und PC heraus. So wurde aus einem exklusiven Xbox-Titel eine weit verbreitete Serie, die Fans auf zahlreichen Plattformen begeistern konnte.
Sam Fisher forderte Geduld und Präzision statt wildem Geballer. Er belohnte strategisches Denken, Vorsicht und Geschicklichkeit. In einer Gaming-Welt voller Superhelden und Explosionen war er die ruhige, ernsthafte Alternative, die bis heute fehlt.
Seine glaubwürdige, nüchterne Art, kombiniert mit spannenden Missionen und einem Fokus auf Realismus, machte ihn einzigartig. Er bot Spielern eine anspruchsvolle, erwachsene Form von Action, die bis heute kaum ein anderes Spiel bieten konnte. Fisher war der Antiheld, der genau deswegen Held sein durfte – zurückhaltend, professionell, unvergesslich.
Nach Blacklist ließ Ubisoft Sam Fisher verschwinden. Während Assassin’s Creed und Far Cry weiter wuchsen, blieb die Stealth-Legende wortwörtlich im Dunkeln. Ein paar kleine Cameos wie in Ghost Recon: Wildlands waren kein Trost für Fans, die seit Jahren auf eine echte Rückkehr ihres Helden hoffen. Das Fehlen eines neuen Spiels trotz zahlreicher Fan-Wünsche bleibt ein großes Rätsel. Ubisoft ließ ihn buchstäblich im Dunkeln zurück.
Metal Gear Solid Erfinder Hideo Kojima war und ist nach wie vor stark von Hollywood inspiriert. Im Laufe der Serie wuchsen die Filmsequenzen zu vollständigen Blockbustern, teilweise gab es sogar elend lange Codec-Gespräche, wo man aufmerksam der Geschichte lauschen konnte. Bei Splinter Cell ging man genau den umgekehrten Weg. Sam Fisher war so drastisch reduziert, das man die Mehrheit des Spieles in der Dunkelheit verbrachte!
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Doch genau das machte Sam Fisher mit seiner Splinter Cell Serie so besonders. Es war keine Kopie, es war eine eigenständige Serie, die nicht im Schatten von Metal Gear Solid stand. Solid Snake war nicht Sam Fishers „großer Bruder“, sie waren 2 Agenten auf unterschiedlichen Pfaden und man konnte durchaus mit beiden befreundet sein.
Sam Fisher war einzigartig, weil er Stealth zu einem Lifestyle machte. Ubisoft schuldet ihm – und uns – ein Comeback. Die Gaming-Welt hat genug Explosionen erlebt. Was sie braucht, ist ein echter Meister der Schatten, der seine Nachtsichtbrille wieder aufsetzt und uns erneut in die faszinierende Welt der Spionage eintauchen lässt.
Dieser Artikel bzw. Bilder wurde/n mithilfe von Künstlicher Intelligenz erstellt, jedoch vor der Veröffentlichung von einem Menschen überprüft.