ca. 6 Min lesen
Artikel von Klaus +

Früher spielte Shinobi noch bei SEGA-Ikonen wie Sonic the Hedgehog mit. Aber nach den ersten Abenteuern auf dem Mega Drive und einem PlayStation 2-Reboot wurde es ruhig um das Franchise. Mit Shinobi: Art of Vengeance holt das französische Dotemu den Kulthit aus der Versenkung, wie schon zuvor andere Marken des alten Nintendo-Konkurrenten.

Tatsächlich scheint Dotemu zu verstehen, was den Reiz der 8- und 16-Bit-Klassiker von SEGA ausgemacht hat. Nach einem malerischen Remake von Wonder Boy: The Dragon’s Trap entwickelte das Studio mit Streets of Rage 4 ein würdiges Sequel der alten Prügel-Saga – und jetzt ist Shinobi dran. Diesmal hat Art of Vengeance jedoch starke Konkurrenz. Schließlich feiert auch Ninja Gaiden dieses Jahr das Comeback, während Hollow Knight: Silksong die Welt der Sidescroller zurzeit fest im Griff hat.

Review – Was ist Shinobi: Art of Vengeance?

Shinobi: Art of Vengeance Screenshot, Wald - Bild © SEGA

Shinobi: Art of Vengeance Screenshot, Wald – Bild © SEGA

Ursprünglich entstand Shinobi als simpler Projektil-Shooter für die Spielhallen. Auf dem Mega Drive bekam Titelheld Joe Musashi danach neben seinen Kunai-Schüssen ein flexibles Moveset mit Doppelsprüngen, Klettermanövern und Katana-Angriffen spendiert. Hier setzt Art of Vengeance an, geht aber deutlich weiter – insbesondere beim Kampfsystem. Um die Auslöschung seines Clans zu rächen, begibt sich der SEGA-Ninja ohne viel Geplänkel in den Kampf gegen die finstere ENE-Corporation.

Dabei sind die Kämpfe eines der Highlights. Ähnlich wie in Action-Games Marke Devil May Cry hat Musashi nun Kombos drauf, die sich aus leichten und schweren Hieben zusammensetzen. Genre-typisch ist das Moveset über die Kampagne erweiterbar, sei es durch längere Kombomuster oder Ladeattacken. Daneben gibt es acht Ninpo-Zauber, die vom kleinen Flammenwurf bis zur Schlangenbeschwörung reichen. Das Treffer-Feedback ist dabei dank deftigen Animationen und kleinen Freeze-Frames schön wuchtig – wobei es von den bewusst eingesetzten Rucklern fast schon zu viele gibt.

Shinobi: Art of Vengeance Screenshot, Kampfsystem - Bild © SEGA

Shinobi: Art of Vengeance Screenshot, Kampfsystem – Bild © SEGA

Gegner besitzen nun auch eine Stamina-Leiste, die besonders gegen Kunais empfindlich ist. Geht einem Feind die Ausdauer aus, kann Musashi einen solchen sofort mit einem Finisher ausschalten und dafür sogar ans andere Ende des Bildschirms düsen. Allerdings kommt das im Nahkampf selten zum Tragen und die Bedienung des Finishers per Schultertaste ist etwas ungelenk. Bei Bossgegnern spielt Stamina außerdem keine Rolle mehr, im Gegensatz zu vergleichbaren Spielsystemen wie Sekiro. Ganz rund ist das Kampfsystem also nicht, ein bisschen mehr Fokus wäre noch drin gewesen.

Shinobi in Übergröße

Shinobi: Art of Vengeance Screenshot, Stadt - Bild © SEGA

Shinobi: Art of Vengeance Screenshot, Stadt – Bild © SEGA

Ninja-typisch sind nicht nur Kampfkünste gefragt, sondern auch viel Akrobatik. Musashi muss sich durch etliche Schächte mit Laser-Hindernissen oder Tempelanlagen mit tödlichen Speeren manövrieren, sich per Enterhaken über Abgründe hieven oder mit dem Gleitschirm durch enge Schluchten bewegen. In Shinobi: Art of Vengeance sind die Level nun deutlich größer, im Vergleich zu den Erstlingen geradezu gigantisch.

Größer heißt aber nicht unbedingt besser. Lineare Level, wie beispielsweise ein fahrender Zug, fühlen sich durch lange Korridore und Plattformen oft gestreckt an. Das bedeutet vor allem mehr Laufzeit. Dadurch kommen einzelne Jump ‘n’ Run- oder Rätsel-Elemente deutlich weniger zur Geltung als etwa in den knackigen Levels von Ninja Gaiden: Ragebound. Andere Level sind verzahnter, was zu viel Hin- und Herlaufen führen kann und das Gameplay verwässert.

Shinobi: Art of Vengeance Screenshot, Upgrade - Bild © SEGA

Shinobi: Art of Vengeance Screenshot, Upgrade – Bild © SEGA

Außerdem hat Art of Vengeance erstmals Metroidvania-Elemente. Denn in den ersten Levels befinden sich Geheimareale, die sich nur mit Ninja-Werkzeugen aus späteren Welten öffnen lassen, etwa Enterhaken oder Wandbrecher. Es ist aber nicht notwendig, jede Stage zu komplettieren. In den alten Gebieten verstecken sich meist Ausrüstungsgegenstände und kleine Boni, beispielsweise für schnellere Attacken, mehr HP oder Extra-Kunai.

Shinobi: Art of Vengeance sollte für Genre-Veteranen aber auch ohne eine volle Ausstattung schaffbar sein. Dadurch sorgen diese Backtracking-Elemente eher für mühsame Wiederholungen als ein wirkliches Belohnungsgefühl. Zumal viele der versteckten Areale keine sonderlich spannenden Herausforderungen bieten.

Handgemalte Ninja-Welten

Shinobi: Art of Vengeance Screenshot, Hindernis - Bild © SEGA

Shinobi: Art of Vengeance Screenshot, Hindernis – Bild © SEGA

Allerdings erlaubt die Größe des Spiels auch viele pompöse Hintergrundkulissen. Oft zoomt die Kamera nach außen und enthüllt riesige Tempelanlagen oder Großstadtdschungel – oft aufwendig von Hand gezeichnet. Überhaupt deckt der Titel von Bambuswäldern bis Geheimlaboren so ziemlich alle Settings ab, die man sich als Ninja-Fan wünschen könnte. Die Levels sind mit vielerlei Details ausgeschmückt, oft sind riesige Dämonen oder Mech-Giganten zu sehen sowie ausgedehnte Skylines und kleine SEGA-Referenzen.

Viele Elemente sind aber gleichzeitig sehr starr, wodurch die Bewegung mancher Objekte den Eindruck alter Flash-Animationen bekommt. Die Figuren selbst kommen im flüssigen Animationsstil, aber manche Hintergrundelemente gehen nicht immer natürlich ineinander über. Das fällt besonders bei großen Elementen wie Helikoptern auf, die innerhalb der Welten eher wie bewegliche Papprequisiten wirken.

Shinobi: Art of Vengeance Screenshot, Zauber - Bild © SEGA

Shinobi: Art of Vengeance Screenshot, Zauber – Bild © SEGA

Außerdem ist der Zeichenstil Geschmackssache. Wie schon bei vorherigen Revivals steht Dotemu für Zeichnungen im Stil von Samstagmorgen-Cartoons – weniger für klassische SEGA-Pixel oder Anime-Ninja-Ästhetik. Auch hier fängt das ebenfalls in Europa entwickelte Ninja Gaiden: Ragebound die japanischen Wurzeln besser ein.

Dafür trifft aber der Soundtrack mit einer Mischung aus klassischen japanischen Instrumenten mit viel Techno und etwas Rock genau die richtige Shinobi-Atmosphäre. Zuständig war einerseits Tee Lopes, der sich zuletzt für viele der besten modernen Lieder im Sonic-Franchise verantwortlich zeigte. Für eine Handvoll Songs ist außerdem SEGA-Veteran Yuzo Koshiro ans Mischpult zurückgekehrt. Beim Sound entsteht voll und ganz das alte Konsolen- und Ninja-Feeling – ohne altbacken zu wirken.

Shinobi: Art of Vengeance Review – Fazit

Shinobi: Art of Vengeance Screenshot, Boss - Bild © SEGA

Shinobi: Art of Vengeance Screenshot, Boss – Bild © SEGA

Mit Streets of Rage 4 schaffte Dotemu noch den Homerun: Der Prügler brachte nicht nur einen SEGA-Klassiker, sondern das gesamte Beat ‘em’ Up-Genre zurück in den Mainstream. Bei Shinobi: Art of Vengeance hat sich das Studio aber leicht überhoben. Zwar hat der Sidescroller viele der richtigen Zutaten – allen voran ein modernes Kampfsystem, abwechslungsreiche Settings und dynamische Soundkulissen. Allerdings unterliegt der Titel dem Irrglauben, größer bedeute automatisch besser. Manchen Levels geht die Luft aus, weil sie zu groß sind, während man auch beim sonst motivierenden Kampfsystem die ein oder andere Mechanik hätte straffen können.

Hast du Feedback oder spannende Infos entdeckt? - Dann lass es uns wissen!

Bewertung von Klaus
Gut
7

Das Revival des SEGA-Klassikers Shinobi überzeugt mit flotter Action und handgemalten Kulissen, aber ist stellenweise unnötig aufgebläht.

  • Grafik
    8
  • Sound
    8
  • Gameplay
    8
  • Story
    6
  • Motivation
    5
  • Steuerung
    7

Kategorie(n)

Mehr entdecken

Neu für dich!